Ausgleichszahlung bei Flugverspätung auch für Start oder Landung nicht in der EU
Nach dem Abitur haben viele Abiturientinnen und Abiturienten den Wunsch zu reisen. Manche wollen in einem Work and Travel Jahr in Neuseeland Schafe scheren, andere wiederum unterstützen soziale Projekte in Südamerika. Ob Neuseeland, Australien oder Peru – ohne Anschlussflug erreicht man diese Ziele nicht. In einem neu ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.2023 (Aktenzeichen: X ZR 15/20) hat dieses die Fluggastrechte bei verspäteten Anschlussflügen gestärkt.
Sachverhalt – Vier Stunden Verspätung in Kansas City
Eine Frau buchte über ein Reisebüro für den 25. Juli 2018 einen Flug mit der Fluggesellschaft Swiss von Stuttgart nach Zürich und Flüge mit der Beklagten von Zürich nach Philadelphia und von Philadelphia nach Kansas City. Der erste und zweite Flug wurde planmäßig durchgeführt. Auf der letzten Teilstrecke startete der Flug verspätet. Die Frau erreichte Kansas City mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden. Anschließend forderte sie Ausgleichszahlungen in Höhe von 600,00 Euro. Gestützt hat sie sich auf Art. 5 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. c der EU– Fluggastrechteverordnung. Sowohl das Amtsgericht Nürtingen als auch das Landgericht Stuttgart lehnten dies ab und begründeten das mit der Nichtanwendbarkeit der Verordnung.
Buchung der drei Teilflüge als Gesamtheit
Der Bundesgerichtshof zog den Europäischen Gerichtshof zurate und entschied nun nach dessen Vorabentscheidung, die Verordnung für anwendbar. Nach der Rechtsprechung der Europäischen Union sei die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung bei einem Flug mit direkten Anschlussflüge unter Berücksichtigung des ersten Abflugortes und des Endziels zu beurteilen, wenn der Flug als eine Gesamtheit anzusehen sei. Das Reisebüro habe eine Rechnung zu einem „Vermittlungsauftrag“ erteilt, die für die hier interessierenden Flüge sowie für den Rückflug einen einheitlichen „Teilnehmerpreis“ ausweise. Aus der Rechnung ergebe sich ferner, dass das Reisebüro für die Flüge ein einheitliches Ticket ausgegeben habe, dessen Nummern auch auf den Boardkarten für die drei interessierenden Flüge wiedergegeben sei. Vor diesem Hintergrund hat der BGH abgeleitet, dass die drei Teilflüge als Gesamtheit mit Abflugort in Deutschland zu betrachten seien. Demnach stehe ihr eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro zu.
Fazit
Wer eine mit Umstiegen verbundene Flugreise in einem EU-Land startet, hat bei Verspätung auch dann Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn diese erst bei einem späteren Teilflug jenseits der EU auftritt. Dabei spielt es keine Rolle, ob direkte Anschlussflüge von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen Airlines durchgeführt werden.
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