Klein­kind star­tet Auto – Mut­ter haf­tet

Das OLG Olden­burg hat in einem Urteil vom 20.04.2023 ent­schie­den:

Mut­ter ver­letzt ihre Auf­sicht­sp­licht, wenn sie ihr 2 ½ jäh­ri­ges Kind alleine und nicht ange­schnallt im Auto zurück­lässt – Sie haf­tet dafür, dass er das Auto star­tet und eine dritte Per­son hier­durch ver­letzt wird.

Zum Sach­ver­halt

Die beklagte Kinds­mut­ter setzte ihren Sohn nach einer Fami­li­en­feier in den Kin­der­sitz auf dem Bei­fah­rer­sitz ihres Autos. Ohne ihn anzu­schnal­len ging sie noch ein­mal für ein bis maxi­mal zwei­mi­nü­tig ins Haus zurück. Die Auto­schlüs­sel ließ sie auf dem Arma­tu­ren­brett des Autos lie­gen. In der Abwe­sen­heit der Mut­ter krab­belte der Junge vom Kin­der­sitz zum Auto­schlüs­sel und star­tete das Auto. Der Wagen machte einen Satz nach vorne wodurch die Groß­mut­ter des Kin­des, die ca. 1,5m ent­fernt vom Auto auf einer Bank saß schwer ver­letzt wurde.

 

Kran­ken­kasse ver­klagt Kinds­mut­ter

Die Kran­ken­kasse der Groß­mut­ter ver­klagte die Kinds­mut­ter. Sie habe ihre Auf­sicht­sp­licht gemäß §§1631 Abs.1, 823 Abs.1 S.1 BGB ver­letzt. Das Land­ge­richt Osna­brück gab der beklag­ten Kinds­mut­ter recht und wies die Klage ab. Die Mut­ter hätte nicht mit dem Gesche­hens­ab­lauf rech­nen müs­sen. Es liege außer­halb der all­ge­mei­nen Lebens­er­fah­rung, dass ein Klein­kind von 2 ½ Jah­ren inner­halb von ein, zwei Minu­ten nach Auto­schlüs­seln greift und das Auto star­tet.

Ent­schei­dung des OLG

Die Kran­ken­kasse legte gegen die Ent­schei­dung des Land­ge­richts Osna­brück Beru­fung ein – mit Erfolg. Das OLG Olden­burg gibt der kla­gen­den Kran­ken­kasse recht. Die Mut­ter hat ihre Auf­sichts­pflicht ver­letzt, indem sie ihren 2 ½ jäh­ri­gen Sohn alleine, nicht ange­schnallt und mit den Auto­schlüs­seln im Auto zurück­ließ. Hier­durch schuf sie eine nicht nur uner­heb­li­che Gefahr. Die sich rea­li­sierte Gefahr liegt nicht außer­halb der Lebens­er­fah­rung. Ein Klein­kind ahmt Ver­hal­tens­wei­sen Erwach­se­ner im All­ge­mei­nen nach und im Krab­bel­al­ter wird erfah­rungs­ge­mäß nach Schlüs­seln gegrif­fen und ver­sucht diese in Schlös­ser hin­ein­zu­ste­cken.

Ihre Auf­sichts­pflicht hätte es gebo­ten die Schlüs­sel mit­zu­neh­men, das Kind anzu­schnal­len oder jeman­den zu bit­ten sich für die Zeit, in der sie in der Woh­nung war, auf das Kind auf­zu­pas­sen. Den ent­stan­de­nen Scha­den muss die Kinds­mut­ter tra­gen. Der genaue Scha­dens­be­trag wird noch ermit­telt.

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Kün­di­gung wegen Zah­lungs­ver­zugs auch bei lang­jäh­ri­ger pünkt­li­cher Miet­zah­lung nicht rechts­miss­bräuch­lich

Sach­ver­halt

Ange­sichts der Hand­lun­gen Russ­lands, die die Lage in der Ukraine desta­bi­li­sie­ren, wurde es einem bestimm­ten Sen­der ver­bo­ten, ein bestimm­tes Pro­gramm zu sen­den oder des­sen Sen­dung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu ermög­li­chen. Der Sen­der war zugleich Mie­ter und Beklag­ter von Gewer­be­räu­men gewe­sen. Obwohl der Mie­ter über etli­che Jahre die Miete anstands­los zahlte, stoppte er die Miet­zah­lung plötz­lich für zwei auf­ein­an­der­fol­gende Monate. Dar­auf­hin wurde das Miet­ver­hält­nis vom Ver­mie­ter (zugleich Klä­ger) frist­los und ordent­lich gekün­digt. Die Beklagte wen­det sich gegen die Kün­di­gung und behaup­tet sie sei wegen Zah­lungs­ver­zugs rechts­miss­bräuch­lich, weil der Mie­ter wäh­rend der acht­jäh­ri­gen Miet­zeit bean­stan­dungs­frei gezahlt habe. Der Ver­mie­ter hätte erken­nen müs­sen, dass kein Fall von Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Zah­lungs­un­wil­lig­keit, son­dern ein Ver­se­hen vor­ge­le­gen habe.

 

Ent­schei­dung

Bei einer Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses eines Wohn­raums ist eine vor­he­rige Abmah­nung erfor­der­lich. Vor­lie­gend han­delt es sich bei Miet­ob­jekt nicht um einen Wohn­raum, son­dern um Gewer­be­räume. Eine vor­an­ge­schal­tete Abmah­nung ist daher ent­behr­lich. Den­noch kann auch bei Gewer­be­räu­men eine vor­an­ge­schal­tete Abmah­nung aus­nahms­weise nach Treu und Glau­ben gebo­ten sein. Vor­aus­set­zung ist, dass sich dem Ver­mie­ter die Erkennt­nis auf­drän­gen muss, dass der Zah­lungs­rück­stand nicht auf Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder –unwil­lig­keit des Mie­ters beruht, son­dern auf einem gering­fü­gi­gen Ver­se­hen oder sons­ti­gen von ihm nicht zu ver­tre­ten­den Umstand. Auf diese nach Treu und Glau­ben gebo­tene Abmah­nung stützt sich der Beklagte. Schließ­lich habe der Mie­ter Mil­lio­nen­bei­träge in das Pro­jekt und Umbau­maß­nah­men inves­tiert, die auf keine Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder –unwil­lig­keit hin­deu­ten.

Jedoch habe es laut Gericht der Klä­ger für mög­lich hal­ten kön­nen, dass die Ein­stel­lung der Miet­zah­lung im Zusam­men­hang mit dem Sen­de­ver­bot stand. Für ihn sei nicht aus­zu­schlie­ßen gewe­sen, dass die Miet­zah­lung aus Zah­lungs­un­wil­lig­keit aus­ge­blie­ben war und wei­ter aus­blei­ben werde. Auch die Tat­sa­che, dass der Mie­ter Mil­lio­nen­bei­träge in das Pro­jekt und Umbau­maß­nah­men inves­tiert hat, wider­legt eine Ver­mu­tung nicht. Das Gericht stellt klar, dass allein eine lang­jäh­rige ver­trau­ens­volle Zusam­men­ar­beit in der Ver­gan­gen­heit durch pünkt­li­che Miet­zah­lung eine Kün­di­gung wegen Zah­lungs­ver­zugs nicht rechts­miss­bräuch­lich mache.

An eine Kün­di­gung wer­den gleich­wohl höhere materiell-​​rechtliche Anfor­de­run­gen gestellt, wenn der Beklagte durch diese in sei­ner Exis­tenz gefähr­det wird. Der Beklagte konnte eine sol­che Gefähr­dung nicht schlüs­sig dar­le­gen, weil es seine wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nisse nicht kon­kret erken­nen ließ.

Des­halb hat das Gericht (Kam­mer­ge­richt, Beschluss vom 16.03.2023 – 8 U 178/​22) den Mie­ter auf­grund einer frist­lo­sen Kün­di­gung der kla­gen­den Ver­mie­te­rin wegen Zah­lungs­ver­zugs zur Räu­mung und Her­aus­gabe von Gewer­be­flä­chen ver­ur­teilt. Das Recht zur Kün­di­gung ergibt aus der dem Zah­lungs­ver­zug mit den Mie­ten für die Monate Mai und Juni 2022.

 

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Annahme rela­ti­ver Fahr­un­tüch­tig­keit ohne Fest­stel­lung der Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­tion

Unter­schei­dung rela­tive und abso­lute Fahr­un­tüch­tig­keit

Wer im Ver­kehr ein Fahr­zeug führt, obwohl er infolge des Genus­ses alko­ho­li­scher Getränke oder ande­rer berau­schen­der Mit­tel nicht in der Lage ist, das Fahr­zeug sicher zu füh­ren, ist gemäß §316 Straf­ge­setz­buch (StGB) straf­bar.

Hier­bei muss zunächst zwi­schen der abso­lu­ten und der rela­ti­ven Fahr­un­tüch­tig­keit unter­schie­den wer­den. Eine abso­lute Fahr­un­tüch­tig­keit infolge Alko­hol­ge­nus­ses liegt bei einem Blut­al­ko­hol­ge­halt von 1,1‰ vor. Hier­bei ist die Fahr­weise uner­heb­lich. Das bedeu­tet, dass selbst ein erfah­re­ner Trin­ker, der sich noch bei Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­tion von 1,1 Pro­mille voll­kom­men unter Kon­trolle hat, abso­lut fahr­un­tüch­tig ist. Eine rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit infolge Alko­hol­ge­nus­ses liegt hin­ge­gen vor, wenn kon­krete Umstände der Tat erwei­sen, dass der Alko­hol­kon­sum zu einer Fahr­un­tüch­tig­keit geführt hat. Hier­für genügt, je nach Art und Umstän­den, bereits der Kon­sum klei­ner Men­gen Alko­hol.

Das bedeu­tet, dass sich die rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit von der abso­lu­ten nicht im Grad der Trun­ken­heit, son­dern allein hin­sicht­lich der Art und Weise, wie der Nach­weis der Fahr­un­tüch­tig­keit als psy­cho­phy­si­scher Zustand her­ab­ge­setz­ter Gesamt­leis­tungs­fä­hig­keit zu füh­ren ist.

 

Gesamt­wür­di­gung des Rich­ters ent­schei­det, ob rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit vor­lag

Ob jemand fahr­un­tüch­tig ist, wird meist mit­tels eines Atem­tests oder einer Blut­probe ermit­telt. Liegt ein sol­cher Test oder eine Probe nicht vor, schei­det die Annahme von alko­hol­be­ding­ter Fahr­un­si­cher­heit gleich­wohl nicht aus. Auch ohne eine die­ser Mög­lich­kei­ten kann eine alko­hol­be­dingte rela­tive Fahr­tüch­tig­keit fest­ge­stellt wer­den. Hier­bei hat der Rich­ter eine umfas­sende Wür­di­gung aller Beweis­an­zei­chen vor­zu­neh­men.

 

Bei der Wür­di­gung der Gesamt­um­stände beach­tet der Rich­ter ins­be­son­dere:

 

  • Die fest­ge­stellte Fahr­weise

Kon­kret unter­sucht der Rich­ter dabei, ob der Fahr­feh­ler dem Täter ohne alko­ho­li­sche Beein­träch­ti­gung nicht unter­lau­fen wäre. Ein Bei­spiel wäre etwa das Gera­de­aus­fah­ren in einer Kurve.

 

  • Flucht des Täters vor Poli­zei

Dar­über hin­aus prüft der Rich­ter zu einen die Tat­sa­che, dass der Täter vor der Poli­zei flüch­ten wollte als auch die Art der Flucht, d.h. ob der Täter deut­lich unsi­cher, wag­hal­sig und feh­ler­haft fuhr. Dies sind Indi­ka­to­ren für eine alko­hol­be­dingte Fahr­un­tüch­tig­keit.

 

  • Das Ver­hal­ten wäh­rend der Kon­trolle

Schließ­lich kann eine Fahr­un­tüch­tig­keit auch im Ver­hal­ten vor oder nach der Tat, ins­be­son­dere bei der Kon­trolle fest­ge­stellt wer­den. Anzei­chen hier­für sind etwa Beein­träch­ti­gun­gen der Kör­per­be­herr­schung wie bei­spiels­weise Stol­pern oder Schwan­ken beim Gehen sowie eine lal­lende oder ver­wa­schene Sprech­weise.

Selbst­ver­ständ­lich ist der Rich­ter bei der Wür­di­gung der Gesamt­um­stände auf die Aus­sa­gen und Doku­men­ta­tion der Zeu­gen (kon­trol­lie­ren­den Poli­zis­ten) ange­wie­sen.

(Urteil des Bay­ri­schen Ober­lan­des­ge­richt vom 13.02.2023 – 203 StRR 455/​22)

 

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Aus­übung des Leis­tungs­be­stim­mungs­rechts bei einer „Fahrt ins Blaue“

Sach­ver­halt

Der Klä­ger buchte bei einem Rei­se­büro für elf Per­so­nen eine „Fahrt ins Blaue“ zu einem Preis von ins­ge­samt 2.138 Euro. Die gebuchte Bus­reise samt Hotel­über­nach­tun­gen sollte vom 13. bis 15. März 2020 statt­fin­den. Rei­se­ziel und Rei­se­pro­gramm waren den Teil­neh­mern vor Antritt der Reise nicht bekannt. Zu Beginn der Reise wurde den Rei­sen­den eine Rei­se­pro­gramm aus­ge­hän­digt. Es ging vom Ems­land aus nach Ham­burg. Dort waren eine Muse­ums­aus­füh­rung und eine große Hafen­rund­fahrt geplant. Als Höhe­punkt wurde ein Musical-​​Besuch ange­kün­digt. Am Nach­mit­tag nach Beginn der Fahrt wurde der Gruppe mit­ge­teilt, dass letz­te­rer Pro­gramm­punkt – der Musical-​​Besuch, der den Höhe­punkt der „Fahrt ins Blaue“ dar­stel­len sollte – wegen der Corona-​​Pandemie aus­fal­len müsse. Statt­des­sen wurde kurz­fris­tig eine drei­stün­dige Stadt­rund­fahrt orga­ni­siert.

Wegen man­gel­haf­ter Reise begehrte der Klä­ger für sich und die zehn wei­te­ren Rei­sen­den von der Rei­se­ver­an­stal­te­rin eine Preis­min­de­rung von ins­ge­samt 715 Euro (65 Euro pro Teil­neh­mer).

 

Land­ge­richt Osna­brück bejaht Rei­se­man­gel

Das Amts­ge­richt Lin­gen (Ems) hat die Klage des Klä­gers zunächst abge­wie­sen. Im Beru­fungs­ver­fah­ren (LG Osna­brück) hatte der Klä­ger dage­gen teil­weise Erfolg. Der Rei­se­ver­an­stal­ter wurde zur Zah­lung von 320 Euro ver­pflich­tet. Nach Ansicht des Land­ge­richts stelle der Aus­fall des geplan­ten Musi­cal­be­suchs einen Rei­se­man­gel dar, der zur Min­de­rung von 15% berech­tige. Er sei mit der Durch­füh­rung der Stadt­rund­fahrt nicht beho­ben wor­den. Eine Aus­tausch­bar­keit die­ser Pro­gramm­punkte könne nicht ange­nom­men wer­den, da eine Stadt­rund­fahrt gegen­über einem Musi­cal­be­such nicht gleich­ar­tig sei. Nach Kon­kre­ti­sie­rung der Reise stelle er einen Haupt­pro­gramm­punkt dar. Dage­gen wandte sich der Beklagte im Revi­si­ons­ver­fah­ren beim BGH und unter­lag.

 

Leis­tungs­be­stim­mungs­recht bei Rei­se­an­tritt aus­ge­übt

Der BGH (Urteil vom 14.02.2023 – X ZR 18/​22) stimmte den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts zu. Zwar habe dem Ver­an­stal­ter gemäß § 315 Abs. 1 BGB ein Leis­tungs­be­stim­mungs­recht zuge­stan­den. Durch Aus­hän­di­gung des Rei­se­pro­gramms sei der Leis­tungs­in­halt unwi­der­ruf­lich nach §243 Abs. 1 BGB kon­kre­ti­siert wor­den. Nichts habe dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Pro­gramm vor­läu­fi­gen Cha­rak­ter habe und ein­zelne Punkte noch aus­tausch­bar gewe­sen wären. Dem Urteil zufolge sei der Weg­fall des Musical-​​Besuchs ein Rei­se­man­gel, der eine Min­de­rung des Rei­se­s­prei­ses nach §651m Abs. 2 Satz 1 BGB recht­fer­tige. Eine Stadt­rund­fahrt sei kein gleich­wer­ti­ges Äqui­va­lent zum Musical-​​Besuchs, zumal das Musi­cal vom Rei­se­ver­an­stal­ter aus­drück­lich als Höhe­punkt der Reise bezeich­net wor­den sei.

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Haf­tungs­ver­tei­lung bei Kol­li­sion mit einer bereits län­ger geöff­ne­ten Fahr­zeug­tür

Sach­ver­halt

Der Fah­rer eines geleas­ten Audi Q5 parkte auf der rech­ten Stra­ßen­seite in einer Park­bucht. Beim Vor­bei­fah­ren kol­li­dierte ein Auto­fah­rer mit der lin­ken hin­te­ren Tür des Audis. Dar­auf­hin ver­klagte der Audi Fah­rer den Schä­di­ger auf Scha­dens­er­satz. Der Klä­ger behaup­tet, er habe die linke hin­tere Tür nur einen Spalt weit geöff­net, um Gegen­stände von der Rück­bank zu ent­neh­men. Die Tür habe nicht in den Fahr­bahn­be­reich hin­ein­ge­ragt. Der Unfall sei damit für den Klä­ger unab­wend­bar gewe­sen. Die Beklagte hin­ge­gen äußerte, dass sie die offene Fah­rer­tür des Audis wahr­ge­nom­men habe und daher höchs­tens mit 10 – 15 km/​h und aus­rei­chen­dem Sicher­heits­ab­stand am Fahr­zeug vor­bei­fuhr. Zur Kol­li­sion kam es nur, weil der Klä­ger wäh­rend der Vor­bei­fahrt die Türe wei­ter (unab­sicht­lich) geöff­net habe.

Das Land­ge­richt Saar­brü­cken hatte eine Haf­tungs­ver­tei­lung 50:50 vor­ge­nom­men. Die Klä­ge­rin begehrte vor dem Ober­lan­des­ge­richt Saar­brü­cken vol­len Ersatz und ging in Beru­fung.

 

Lea­sing­neh­mer durch Ver­trag aktiv­le­gi­ti­miert

Zunächst setzt sich das Gericht (OLG Saar­brü­cken, Urteil vom 24.03.2023 – 3 U 9/​23) mit der Aktiv­le­gi­ti­ma­tion des Klä­gers aus­ein­an­der. Die Aktiv­le­gi­ti­ma­tion ist die Befug­nis einer Per­son, ein bestimm­tes Recht (hier: Scha­dens­er­satz) vor Gericht gel­tend zu machen. Wer aktiv legi­ti­miert ist, kann als Klä­ger in einem Gerichts­ver­fah­ren auf­tre­ten und seine Ansprü­che gel­tend machen.

Bei Lea­sing­fahr­zeu­gen ist in der Regel der Lea­sing­ge­ber (meist Lea­sing­un­ter­neh­men) Eigen­tü­mer des Fahr­zeugs, wäh­rend der Lea­sing­neh­mer (hier: der Klä­ger) ledig­lich einen Nut­zungs­ver­trag hat. Meist ist der Lea­sing­neh­mer nicht aktiv­le­gi­ti­miert um Ansprü­che gegen Dritte bei einem Unfall gel­tend zu machen. Eine Aus­nahme kann beste­hen, wenn der Lea­sing­neh­mer durch eine aus­drück­li­che Rege­lung im Ver­trag zur Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen ermäch­tigt wird. Im vor­lie­gen­den Fall hat die Lea­sing­ge­be­rin den Klä­ger ermäch­tigt, die fahr­zeug­be­zo­ge­nen Ansprü­che aus dem Scha­dens­fall im eig­nen Namen gel­tend zu machen. Daher ist der Klä­ger aktiv­le­gi­ti­miert.

Materiell-​​rechtlich sind §823 Absatz 1 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB) und §7 Stra­ßen­ver­kehrs­ge­setz (StVG) die ein­schlä­gi­gen Anspruchs­grund­la­gen für den Scha­dens­er­satz. Wer nach §823 Abs. 1 BGB vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig das Eigen­tum eines ande­ren ver­letzt, ist dem ande­ren zum Ersatz des dar­aus ent­ste­hen­den Scha­dens ver­pflich­tet. Beschä­digt der Hal­ter beim Betrieb eines Kraft­fahr­zeugs eine Sache so ist er im Sinne des §7 Abs. 1 StVG ver­pflich­tet, den dar­aus ent­ste­hen­den Scha­den zu erset­zen. Die Vor­aus­set­zun­gen für einen Scha­dens­er­satz lie­gen unstrei­tig vor. Das Ober­lan­des­ge­richt musste letzt­lich unter­su­chen, ob den Lea­sing­neh­mer ein Mit­ver­schul­den am Unfall trifft.

 

Mit­ver­schul­den, wenn bei einem Unfall Tür in den Stra­ßen­ver­kehr hin­ein­ragt

Daher nahm das Gericht hin­sicht­lich der Haf­tungs­ver­tei­lung Stel­lung. Zum Schutz des flie­ßen­den Ver­kehrs muss man sich beim Ein– oder Aus­stei­gen so ver­hal­ten, dass eine Gefähr­dung ande­rer Ver­kehrs­teil­neh­mer aus­ge­schlos­sen ist. Die Sorg­falts­an­for­de­run­gen gel­ten nicht nur für den Zeit­raum des Ein– und Aus­stei­gens, son­dern auch für alle Vor­gänge, die damit im unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang ste­hen, d.h. auch für das Öff­nen und Schlie­ßen der Tür. Nach Fest­stel­lung des Land­ge­richts habe die Tür 20 cm in die Fahr­bahn hin­ein­ge­ragt. Daher hat der Klä­ger gegen §14 Absatz 1 Straßenverkehrs-​​Ordnung (StVO) ver­sto­ßen. Ihn trifft somit ein Ver­schul­den und er kann nicht vom Schä­di­ger voll­stän­dige Erstat­tung der Repa­ra­tur­kos­ten ver­lan­gen. Er muss sich zu Hälfte betei­li­gen.

 

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Elek­tro­ni­sche Zeit­er­fas­sung für Beschäf­tigte – Inhalt des Geset­zes­ent­wurfs

Hin­ter­grund

Mil­lio­nen Men­schen stem­peln. Jeden Mor­gen, jeden Abend ste­cken sie ihre Karte in eine Stech­uhr oder hal­ten ihren Chip vor ein Lese­ge­rät und mes­sen so ihre Arbeits­zeit. Das pas­siert vor allem in Schich­ten oder im öffent­li­chen Dienst wo linear über acht Stun­den gear­bei­tet wird. Ver­tre­ter eini­ger Bran­chen hiel­ten das lange für alt­mo­disch. In vie­len Berei­chen gilt statt­des­sen die „Ver­trau­ens­ar­beits­zeit“ – vor allem dort, wo unre­gel­mä­ßig gear­bei­tet wird, bei­spiels­weise in der Wis­sen­schaft oder beim moder­nen Mit­tel­ständ­ler.

Seit 2019 ist jedoch klar: Die Ver­trau­ens­ar­beits­zeit hat ihre Gren­zen. Der EuGH hat in sei­nem „Stechuhr-​​Urteil“ klar­ge­stellt, dass die Arbeit­ge­ber die geleis­te­ten Arbeits­stun­den doku­men­tie­ren müs­sen. Seit­dem hat sich aller­dings noch nicht viel in Deutsch­land getan. Jetzt hat das Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­rium um Huber­tus Heil einen Ent­wurf zur kon­kre­ten Umset­zung vor­ge­stellt.

Tarif­part­ner sol­len Aus­nah­men ver­ein­ba­ren kön­nen

Laut Gesetz­ent­wurf müs­sen Arbeit­ge­ber „Beginn, Ende und Dauer der täg­li­chen Arbeits­zeit der Arbeit­neh­mer“ am jewei­li­gen Arbeits­tag „elek­tro­nisch auf­zeich­nen“. Die Beschäf­tig­ten könn­ten ihre Arbeits­zeit selbst doku­men­tie­ren, dies könne aber auch durch „einen Drit­ten erfol­gen“ (z.B. einen Vor­ge­setz­ten). Der Arbeit­ge­ber soll den Beschäf­tig­ten zudem auf Ver­lan­gen über die auf­ge­zeich­nete Arbeits­zeit infor­mie­ren. Den­noch sol­len die Tarif­par­teien Aus­nah­men ver­ein­ba­ren kön­nen. Eine hän­di­sche Auf­zeich­nung in Papier­form genüge glei­cher­ma­ßen. Außer­dem könne die Auf­zeich­nung auch an einem ande­ren Tag erfol­gen, spä­tes­tens jedoch bis zum Ablauf des sieb­ten, auf den Tag der Arbeits­leis­tung fol­gen­den Kalen­der­ta­ges.

Art elek­tro­ni­scher Auf­zeich­nung soll nicht vor­ge­ge­ben wer­den

Eine bestimmte Art der elek­tro­ni­schen Auf­zeich­nung will das Arbeits­mi­nis­te­rium nicht vor­schrei­ben. Neben bereits gebräuch­li­chen Zeit­er­fas­sungs­ge­rä­ten kämen auch andere For­men der elek­tro­ni­schen Auf­zeich­nung mit Hilfe von elek­tro­ni­schen Anwen­dun­gen wie Apps auf einem Mobil­te­le­fon in Betracht. Mög­lich sei auch eine kol­lek­tive Arbeits­zeit­er­fas­sung durch die Nut­zung und Aus­wer­tung elek­tro­ni­scher Schicht­pläne – falls sich dar­aus Beginn, Ende und Dauer der täg­li­chen Arbeits­zeit ablei­ten las­sen.

Fle­xi­blere Arbeits­welt erfor­dert bes­sere Erfas­sung der Arbeits­zeit

Auf­grund der vor­an­schrei­ten­den Glo­ba­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung seien die Arbeits­zei­ten immer fle­xi­bler gewor­den. Daher komme beson­ders in einer fle­xi­blen Arbeits­welt der Erfas­sung der geleis­te­ten Arbeits­zei­ten eine her­aus­ra­gende Bedeu­tung zu. Die damit ver­bun­dene erleich­terte Kon­trolle des Arbeit­ge­bers über Ein­hal­tung der gesetz­li­chen Höchst­ar­beits­zei­ten und Min­destru­he­zei­ten leis­tet einen Bei­trag zur Gesund­heit und Sicher­heit der Arbeit­neh­mer. So gab es laut sta­tis­ti­schem Bun­des­amt Jahr 2021 rund 818 bezahlte und 893 Mil­lio­nen unbe­zahlte Über­stun­den in Deutsch­land.

Ver­trau­ens­ar­beits­zeit soll wei­ter­hin mög­lich blei­ben

Nichts­des­to­trotz soll die Mög­lich­keit von Ver­trau­ens­ar­beits­zeit durch die Pflicht zur Arbeits­auf­zeich­nung nicht beein­träch­tigt wer­den. Gemeint ist damit das fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­dell, bei dem der Arbeit­ge­ber auf die Fest­le­gung von Beginn und Ende der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Arbeits­zeit ver­zich­tet.


 

Fazit

Der Geset­zes­ent­wurf wird, je nach Lager, unter­schied­lich bewer­tet. Man­che behaup­ten, der Ent­wurf schnüre das büro­kra­ti­sche Kor­sett für die Unter­neh­men immer wei­ter zu. Andere hin­ge­gen erklä­ren, dass die Arbeits­zeit­er­fas­sung ein wirk­sa­mes Instru­ment für den Gesund­heits­schutz und gegen Lohn­raub sei. Ange­sichts der Tat­sa­che, dass sich seit Jah­ren die Zahl der Über­stun­den auf einem hohen Niveau ein­ge­pen­delt hat, ist der Geset­zes­ent­wurf im Gro­ßen und Gan­zen sehr begrü­ßens­wert.

 

Rück­for­de­run­gen von Corona-​​Soforthilfen war rechts­wid­rig

Urteil des OVG Müns­ter vom 17.03.2023, AZ4 A 1986/​22

Sach­ver­halt

Ein Steu­er­be­ra­ter, eine Kosmetikstudio-​​Inhaberin und ein Schnellrestaurant-​​Betreiber hat­ten im ers­ten Corona-​​Lockdown jeweils 9.000€ Sofort­hilfe als Selbst­stän­dige bzw. Unter­neh­mer erhal­ten. Nach­dem sie bezo­gen auf den drei­mo­na­ti­gen Bewil­li­gungs­zeit­raum Ein­nah­men und Aus­ga­ben rück­ge­mel­det hat­ten, ergin­gen Schluss­be­scheide. Damit wurde ein aus dem elek­tro­ni­schen Rück­mel­de­for­mu­lar errech­ne­ter „Liqui­di­täts­eng­pass“ fest­ge­stellt und die Dif­fe­renz zwi­schen die­sem und dem aus­ge­zahl­ten Pau­schal­be­trag zurück­ge­for­dert. Das Land NRW hat spä­ter in den Schluss­be­schei­den jeweils rund 7.000€ zurück­ge­for­dert. Hier­ge­gen erho­ben die drei Zah­lungs­emp­fän­ger Klage.

Ober­ver­wal­tungs­ge­richt: Vor­ga­ben der Bewil­li­gungs­be­scheide nicht beach­tet – Schluss­be­scheid rechts­wid­rig

Das OVG hat die Schuss­be­scheide des Lan­des für rechts­wid­rig erklärt. Die Rück­for­de­rungs­be­scheide sind daher auf­zu­he­ben. Das Land habe die Vor­ga­ben der Bewil­li­gungs­be­scheide, die für die end­gül­tige Fest­set­zung bin­dend seien, nicht beach­tet. Es sei unklar geblie­ben, ob mit den Hil­fen aus­ge­fal­le­ner Umsatz, Zah­lungs­pro­bleme oder Unter­halt ersetzt wer­den sollte. Laut Gericht gehe es ein­zig um die Mil­de­rung von finan­zi­el­len Not­la­gen eines Unter­neh­mens oder Selbst­stän­di­gen im Zusam­men­hang mit der Corona-​​Pandemie; ins­be­son­dere zur Über­brü­ckung von Liqui­di­täts­eng­pässe. Das spä­ter vom Land gefor­derte Rück­mel­de­ver­fah­ren finde in den Bewil­li­gungs­be­schei­den keine Grund­lage. Die darin von dem Zuwen­dungs­emp­fän­ger ver­lang­ten Anga­ben waren unge­eig­net, um letzt­lich jeweils zu belas­sene För­de­rungs­summe unter Berück­sich­ti­gung der bin­den­den Fest­set­zun­gen der Bewil­li­gungs­be­scheide zu bestim­men.

Über­be­zahlte Beträge kön­nen zurück­ge­for­dert wer­den

Laut Gericht kann das Land die für die Eng­pass­kom­pen­sa­tion ver­wen­de­ten Hil­fen nicht zurück­for­dern. Es sei aber berech­tigt, die den Emp­fän­ger letzt­lich zuste­hende Sofort­hilfe in Form von neu zu erlas­sen­den Schluss­be­schei­den end­gül­tig fest­zu­set­zen und die über­zahl­ten Beträge zurück­zu­for­dern. Zwar hät­ten alle Emp­fän­ger dar­auf ver­trauen kön­nen, dass sie keine Mit­tel zurück­zah­len müs­sen, die berech­tig­ter­weise zur Mil­de­rung finan­zi­el­ler Not­la­gen oder zur Über­brü­ckung von Liqui­di­täts­eng­päs­sen ver­wen­det wor­den sind. Den­noch hätte objek­ti­ven Emp­fän­gern der Bewil­li­gungs­be­scheide auf­fal­len müs­sen, dass die Sofort­hilfe voll­um­fäng­lich nur zur Kom­pen­sa­tion der unmit­tel­bar durch die Corona-​​Pandemie aus­ge­lös­ten wirt­schaft­li­chen Eng­pässe genutzt wer­den durfte, ent­spre­chende Mit­tel­ver­wen­dun­gen nach­zu­wei­sen und bei Ein­zel­prü­fung zu bele­gen sowie nicht zweck­ent­spre­chend benö­tigte Mit­tel nach­träg­lich zu ermit­teln und zurück­zu­zah­len waren, so das OVG.

Aus­wir­kun­gen

 

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Die­selskan­dal: Euro­päi­scher Gerichts­hof erleich­tert Scha­dens­er­satz­kla­gen gegen Her­stel­ler

Wer ein Auto mit unzu­läs­si­ger Abschalt­ein­rich­tung gekauft hat, hat nach dem Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) deut­lich bes­sere Chan­cen auf Scha­dens­er­satz. Auto­her­stel­ler kön­nen auch dann haf­ten, wenn sie ohne Betrugs­ab­sicht fahr­läs­sig gehan­delt haben. Das ent­schied der EuGH in Luxem­burg (Urteil vom 21.03.2023, AZ: C-​​199/​21) und ver­setzte damit den Auto­her­stel­lern einen emp­find­li­chen Schlag. Der BGH hatte bis­lang deut­lich indus­triefreund­li­cher geur­teilt.

Sach­ver­halt

Ein pri­va­ter Käu­fer hatte vor dem Land­ge­richt Ravens­burg gegen­über der Mercedes-​​Benz Group auf Scha­dens­er­satz geklagt. Der Scha­den soll dadurch ent­stan­den sein, dass Mer­ce­des das erwor­bene Diesel-​​Auto mit einer Soft­ware aus­ge­rüs­tet habe, mit der die Abgas­rück­füh­rung ver­rin­gert werde, wenn die Außen­tem­pe­ra­tu­ren unter einem bestimm­ten Schwel­len­wert liege (sog. Ther­mo­fens­ter). Abschalt­ein­rich­tung, die als Folge höhere Stickstoffoxid-​​Emissionen aus­sto­ßen, sind hin­sicht­lich leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen ver­bo­ten.

Hin­weis: Es han­delt sich nicht um die Abschalt­vor­rich­tung aus dem VW-​​Dieselskandal 2015, bei dem VW Betrugs­soft­wares in die Autos ein­ge­baut hatte, damit die Autos bei behörd­li­chen Tests weni­ger Abgase aus­sto­ßen als im nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Urteil des EuGHs

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat sehr ver­brau­cher­freund­lich ent­schie­den, indem es die Anfor­de­run­gen von vor­sätz­li­cher und sit­ten­wid­ri­ger Schä­di­gung (§826 BGB) auf fahr­läs­sige Schä­di­gung her­ab­setzt. Begrün­det haben sie es wie folgt: wenn der Kunde ein Auto kauft, erhält er vom Her­stel­ler ein Doku­ment, mit dem er bestä­tigt, dass das Auto allen Anfor­de­run­gen ent­spricht. Das Doku­ment schütze den Käu­fer davor, dass der Her­stel­ler seine Pflich­ten ein­hält, d.h. auch die Abgas­werte ein­hält. Mit den Ther­mo­fens­tern emit­tiert das Auto höhere Abgas­werte und es kommt zu einer Pflicht­ver­let­zung.

Moda­li­tä­ten des Scha­den­er­sat­zes natio­nal regeln

Zugleich wei­sen die Luxem­bur­ger Rich­ter dar­auf hin, dass sie die Frage des Land­ge­richt Ravens­burg zum Scha­dens­er­satz in Erman­ge­lung uni­ons­recht­li­cher Vor­schrif­ten nicht ent­schei­den kön­nen. Ob im kon­kre­ten Fall die Vor­aus­set­zun­gen für einen Scha­dens­er­satz vor­lie­gen und wie hoch ein even­tu­el­ler Anspruch aus­fällt, müs­sen die natio­na­len Gerichte fest­le­gen. Zugleich unter­streicht der Gerichts­hof, dass die natio­na­len Vor­schrif­ten nicht dazu füh­ren dür­fen, dass der Anspruch auf einen ange­mes­se­nen Scha­dens­er­satz über­mä­ßig erschwert oder prak­tisch unmög­lich gemacht wird.

Aus­blick und Aus­wir­kun­gen

Mit die­ser Ent­schei­dung ist der Abgas­skan­dal noch lange nicht abge­schlos­sen. Durch die Her­ab­set­zung der Anfor­de­run­gen auf Scha­den­er­satz bei ein­ge­bau­ten Abschalt­ein­rich­tun­gen ist mit einer neuen Kla­ge­welle zu rech­nen. Bereits jetzt lie­gen dem BGH über 1.900 Revi­sio­nen und Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­den vor. Wei­ter­hin sind viele Fra­gen offen. Es ist sehr umstrit­ten, wel­che Abgas­ein­rich­tun­gen zuläs­sig sind und wel­che nicht. Am 8.Mai 2023 wird der BGH tagen und dabei unter­su­chen, wie die unter­schied­li­chen Rechts­spre­chungs­li­nien zusam­men­ge­bracht wer­den kön­nen.

 

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Erleich­terte Haf­tung bei Schock­schä­den

Hin­ter­grund

Wenn einer Per­son bei einem Ver­kehrs­un­fall ein kör­per­li­cher Scha­den ent­steht, steht ihr in den meis­ten Fäl­len Schmer­zens­geld zu. Glei­ches gilt, wenn eine Per­son durch einen Unfall, in dem sie selbst ver­wi­ckelt war, psy­chi­sche Ver­let­zun­gen davon­trägt. Anders schaut es hin­ge­gen aus, wenn die Per­son nicht selbst das Opfer eines Unfalls oder einer Ver­let­zung ist, sich gleich­wohl aber mit dem Gesche­hen psy­chisch kon­fron­tiert sieht. Kon­kret han­delt es sich bei soge­nann­ten Schock­schä­den um psy­chi­sche Erkran­kun­gen, die durch Schock aus­ge­löst wer­den.

 

Zum Fall

Ein Mäd­chen wurde im Alter von 5 Jah­ren von einem Frem­den sexu­ell miss­han­delt. Wäh­rend den Ermitt­lun­gen und des Gerichts­ver­fah­rens musste sich der Vater mit dem Schick­sal sei­ner Toch­ter aus­ein­an­der­set­zen, wor­auf­hin bei ihm eine Anpas­sungs­stö­rung (ICD-​​10 F4 3 – 2) dia­gnos­ti­ziert wurde. Dar­auf­hin war er für mehr als ein Jahr arbeits­un­fä­hig gewe­sen.

Bis­lang wur­den an die Gel­tend­ma­chung eines Anspruchs durch Schock­schä­den hohe Anfor­de­run­gen gesetzt. Es muss­ten zwei Bedin­gun­gen gleich­zei­tig erfüllt sein. Zum einen musste der Betrof­fe­ner die psy­chi­sche Erkran­kung infolge des Schick­sals des Ange­hö­ri­gen dar­le­gen und bewei­sen, zum ande­ren wurde für den Schock­scha­den immer ein außer­ge­wöhn­lich hohes Aus­maß der psy­chi­schen Beein­träch­ti­gung gefor­dert. Das bedeu­tet, dass die Fol­gen schwer­wie­gen­der sein müs­sen, als bei einer ähn­li­chen Schre­ckens­nach­richt übli­cher­weise zu erwar­ten gewe­sen wäre.

Der BGH hat in sei­ner Ent­schei­dung über den oben geschil­der­ten Fall die Anfor­de­rung an Ansprü­che aus Schock­schä­den her­ab­ge­setzt, indem er die letz­tere Bedin­gung besei­tigte. Ist eine psy­chi­sche Beein­träch­ti­gung patho­lo­gisch fass­bar (d.h. kann sie dia­gnos­ti­ziert wer­den), ist die Gesund­heits­ver­let­zung, unab­hän­gig vom Schwer­grad der psy­chi­schen Beein­träch­ti­gung, zu beja­hen.

 

Bedeu­tung des Falls für die Pra­xis

Durch das jüngste Urteil des BGHs wur­den die Rechte der­je­ni­gen gestärkt, die auf­grund von Schock­schä­den psy­chi­sche Beein­träch­ti­gun­gen erlit­ten. Damit kommt es zu einer gerech­ten Gleich­stel­lung zwi­schen phy­si­schen und psy­chi­schen Schä­den. Aller­dings muss wei­ter­hin die psy­chi­sche Beein­träch­ti­gung bewie­sen wer­den, andern­falls drohe dem Schä­di­ger eine ufer­lose Haf­tung.

Den­noch soll­ten sich die Geschä­dig­ten bei der Summe des Schmer­zens­gel­des nicht allzu große Hoff­nun­gen machen. Als ein Mann seine Ehe­frau bei einem Motor­rad­un­fall ver­lor und auf­grund des­sen unter star­ken Depres­sio­nen litt, sprach das Gericht ihm ein Schmer­zens­geld in Höhe von 4.000€ zu. Das ist meist ein schwa­ches Trost­pflas­ter.

Ret­tungs­kos­ten­er­satz beim Wild­un­fall

All­ge­mei­nes

Pro Jahr ereig­nen sich rund 250.000 Wild­un­fälle auf deut­schen Stra­ßen. Dabei ist nicht jeder Unfall im Zusam­men­hang mit einem Tier in freier Wild­bahn ein Wild­un­fall. Ein Wild­un­fall liegt übli­cher­weise nur dann vor, wenn durch den Zusam­men­prall mit einem Haar­wild ein Scha­den am Fahr­zeug ent­steht. Um Haar­wild han­delt es sich bei Rehe, Hir­sche, Wild­schweine, Füchse und Hasen. Schä­den durch Kühe, Pferde, Hunde Kat­zen oder Vögel wer­den daher nicht als Wild­un­fall dekla­riert. Die hier­durch ent­stan­den Kos­ten am Fahr­zeug trägt in der Regel die Ver­si­che­rung.

Ver­si­che­rungs­tech­nisch pro­ble­ma­ti­scher liegt der Fall, wenn man durch ein Aus­weich­ma­nö­ver einen direk­ten Zusam­men­prall mit dem Wild ver­mie­den hat, gleich­wohl ein Scha­den am Fahr­zeug ein­ge­tre­ten ist (z.B., wenn man gegen eine Leit­planke gefah­ren ist). Prak­tisch han­delt es sich meist um schwer nach­weis­bare Fälle, da der Geschä­digte häu­fig allein unter­wegs ist. Ihm ste­hen folg­lich sehr beschränkte Beweis­mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung. Dem Unfall­ver­ur­sa­cher bleibt dann allen­falls ein Rück­griff auf eine (falls vor­han­dene) Voll­kas­ko­ver­si­che­rung übrig. Von einer Selbst­be­tei­li­gung bleibt man dabei nicht ver­schont. Dar­über hin­aus kommt es zur Rück­stu­fung, sofern kein Rabatt­schutz oder Rabat­tret­ter exis­tiert.

 

Vor­aus­set­zun­gen zum Kos­ten­er­satz bei Aus­weich­ma­nö­ver

Das OLG Saar­brü­cken, hatte sich nun mit dem Fall eines Aus­weich­ma­nö­vers beschäf­ti­gen müs­sen und dabei Vor­aus­set­zun­gen genannt, unter denen der ein­ge­tre­tene Scha­den auf­grund eines Aus­weich­ma­nö­vers von der Ver­si­che­rung erstat­tungs­fä­hig ist.

1. Dar­le­gungs– und Beweis­last des Ver­si­che­rungs­neh­mers

Als Ver­si­che­rungs­neh­mer genügt es, wenn man die Anwe­sen­heit von Wild in naher Ent­fer­nung wahr­ge­nom­men hat und das Fahr­ver­hal­ten dem­ent­spre­chend anpasst, um eine mög­li­che Kol­li­sion zu ver­hin­dern. Das genaue Ver­hal­ten des Tie­res muss hier­bei nicht ana­ly­siert wer­den. Jedoch muss nach Beur­tei­lung der Umstände eine objek­tive Befürch­tung beste­hen, dass das Wild auf die Fahr­bahn läuft und ein Zusam­men­stoß pro­vo­zie­ren könnte. Ob das Tier auch sicher auf die Fahr­bahn lau­fen wür­den, ist dabei uner­heb­lich.

2. Reflex­hand­lung genügt als Ret­tungs­hand­lung

Für die Annahme einer Ret­tungs­hand­lung genügt es, wenn sie objek­tiv den Scha­den verhindern/​mindern soll. Ein sub­jek­tiv „bewuss­ter“ Ret­tungs­wille ist dabei nicht erfor­der­lich, d.h., dass auch Reflex­hand­lun­gen eine Ret­tungs­hand­lung dar­stel­len kön­nen (z.B. instink­tiv schnel­les Her­um­rei­ßen des Len­kers).

3. „Gebo­ten­heit“ der Ret­tungs­maß­nahme

Zudem muss das Aus­weich­ma­nö­ver gebo­ten sein. Bei der Beur­tei­lung der Gebo­ten­heit sind ins­be­son­dere Umstände wie die Größe des Tie­res, die Geschwin­dig­keit des Fahr­zeugs und ein mög­li­cher Gegen­ver­kehr zu berück­sich­ti­gen. So kann eine Gebo­ten­heit bejaht wer­den, wenn man bei erhöh­ter Geschwin­dig­keit eine Kol­li­sion mit einem grö­ße­ren Tier zu befürch­ten hat.

4. Keine voll­stän­dig über­ein­stim­men­den Aus­sa­gen sind kein Aus­schluss­grund

Sollte der Fah­rer bei dem Unfall einen Bei­fah­rer neben sich sit­zen haben, ist es kein Aus­schluss­kri­te­rium, wenn die Schil­de­rung der betei­lig­ten Per­so­nen über die Umstände gegen­über der Polizei/​Versicherung diver­gie­ren. Oft­mals erkennt der Fah­rer auf­grund der höhe­ren Auf­merk­sam­keit auf den Stra­ßen­ver­kehr die Gefahr frü­her als sein Bei­fah­rer. Zudem nimmt jeder die Sekun­den vor, wäh­rend und nach dem Unfall­ge­sche­hen unter­schied­lich wahr. Solange das Kern­ge­sche­hen der Aus­sa­gen über­ein­stimmt, ist eine Abwei­chung uner­heb­lich

 

Hin­weis:

Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen vor, kann der Geschä­digte nicht nur die Repa­ra­tur­kos­ten des Fahr­zeugs ersetzt ver­lan­gen, son­dern auch etwaige Schä­den an Schutz­klei­dern oder Klei­dungs­stü­cken. Das ist ins­be­son­dere dann ein­schlä­gig, wenn man mit dem Motor­rad unter­wegs ist und die Motorrad-​​Schutzkleidung und der Helm beschä­digt ist

Etwaige Bei­fah­rer haben glei­cher­ma­ßen einen Scha­dens­er­satz­an­spruch.