Das OLG Oldenburg hat in einem Urteil vom 20.04.2023 entschieden:
Mutter verletzt ihre Aufsichtsplicht, wenn sie ihr 2 ½ jähriges Kind alleine und nicht angeschnallt im Auto zurücklässt – Sie haftet dafür, dass er das Auto startet und eine dritte Person hierdurch verletzt wird.
Die beklagte Kindsmutter setzte ihren Sohn nach einer Familienfeier in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz ihres Autos. Ohne ihn anzuschnallen ging sie noch einmal für ein bis maximal zweiminütig ins Haus zurück. Die Autoschlüssel ließ sie auf dem Armaturenbrett des Autos liegen. In der Abwesenheit der Mutter krabbelte der Junge vom Kindersitz zum Autoschlüssel und startete das Auto. Der Wagen machte einen Satz nach vorne wodurch die Großmutter des Kindes, die ca. 1,5m entfernt vom Auto auf einer Bank saß schwer verletzt wurde.
Krankenkasse verklagt Kindsmutter
Die Krankenkasse der Großmutter verklagte die Kindsmutter. Sie habe ihre Aufsichtsplicht gemäß §§1631 Abs.1, 823 Abs.1 S.1 BGB verletzt. Das Landgericht Osnabrück gab der beklagten Kindsmutter recht und wies die Klage ab. Die Mutter hätte nicht mit dem Geschehensablauf rechnen müssen. Es liege außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Kleinkind von 2 ½ Jahren innerhalb von ein, zwei Minuten nach Autoschlüsseln greift und das Auto startet.
Entscheidung des OLG
Die Krankenkasse legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück Berufung ein – mit Erfolg. Das OLG Oldenburg gibt der klagenden Krankenkasse recht. Die Mutter hat ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren 2 ½ jährigen Sohn alleine, nicht angeschnallt und mit den Autoschlüsseln im Auto zurückließ. Hierdurch schuf sie eine nicht nur unerhebliche Gefahr. Die sich realisierte Gefahr liegt nicht außerhalb der Lebenserfahrung. Ein Kleinkind ahmt Verhaltensweisen Erwachsener im Allgemeinen nach und im Krabbelalter wird erfahrungsgemäß nach Schlüsseln gegriffen und versucht diese in Schlösser hineinzustecken.
Ihre Aufsichtspflicht hätte es geboten die Schlüssel mitzunehmen, das Kind anzuschnallen oder jemanden zu bitten sich für die Zeit, in der sie in der Wohnung war, auf das Kind aufzupassen. Den entstandenen Schaden muss die Kindsmutter tragen. Der genaue Schadensbetrag wird noch ermittelt.
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Angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, wurde es einem bestimmten Sender verboten, ein bestimmtes Programm zu senden oder dessen Sendung in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Der Sender war zugleich Mieter und Beklagter von Gewerberäumen gewesen. Obwohl der Mieter über etliche Jahre die Miete anstandslos zahlte, stoppte er die Mietzahlung plötzlich für zwei aufeinanderfolgende Monate. Daraufhin wurde das Mietverhältnis vom Vermieter (zugleich Kläger) fristlos und ordentlich gekündigt. Die Beklagte wendet sich gegen die Kündigung und behauptet sie sei wegen Zahlungsverzugs rechtsmissbräuchlich, weil der Mieter während der achtjährigen Mietzeit beanstandungsfrei gezahlt habe. Der Vermieter hätte erkennen müssen, dass kein Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, sondern ein Versehen vorgelegen habe.
Bei einer Kündigung des Mietverhältnisses eines Wohnraums ist eine vorherige Abmahnung erforderlich. Vorliegend handelt es sich bei Mietobjekt nicht um einen Wohnraum, sondern um Gewerberäume. Eine vorangeschaltete Abmahnung ist daher entbehrlich. Dennoch kann auch bei Gewerberäumen eine vorangeschaltete Abmahnung ausnahmsweise nach Treu und Glauben geboten sein. Voraussetzung ist, dass sich dem Vermieter die Erkenntnis aufdrängen muss, dass der Zahlungsrückstand nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder –unwilligkeit des Mieters beruht, sondern auf einem geringfügigen Versehen oder sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umstand. Auf diese nach Treu und Glauben gebotene Abmahnung stützt sich der Beklagte. Schließlich habe der Mieter Millionenbeiträge in das Projekt und Umbaumaßnahmen investiert, die auf keine Zahlungsunfähigkeit oder –unwilligkeit hindeuten.
Jedoch habe es laut Gericht der Kläger für möglich halten können, dass die Einstellung der Mietzahlung im Zusammenhang mit dem Sendeverbot stand. Für ihn sei nicht auszuschließen gewesen, dass die Mietzahlung aus Zahlungsunwilligkeit ausgeblieben war und weiter ausbleiben werde. Auch die Tatsache, dass der Mieter Millionenbeiträge in das Projekt und Umbaumaßnahmen investiert hat, widerlegt eine Vermutung nicht. Das Gericht stellt klar, dass allein eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Vergangenheit durch pünktliche Mietzahlung eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht rechtsmissbräuchlich mache.
An eine Kündigung werden gleichwohl höhere materiell-rechtliche Anforderungen gestellt, wenn der Beklagte durch diese in seiner Existenz gefährdet wird. Der Beklagte konnte eine solche Gefährdung nicht schlüssig darlegen, weil es seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht konkret erkennen ließ.
Deshalb hat das Gericht (Kammergericht, Beschluss vom 16.03.2023 – 8 U 178/22) den Mieter aufgrund einer fristlosen Kündigung der klagenden Vermieterin wegen Zahlungsverzugs zur Räumung und Herausgabe von Gewerbeflächen verurteilt. Das Recht zur Kündigung ergibt aus der dem Zahlungsverzug mit den Mieten für die Monate Mai und Juni 2022.
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Wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, ist gemäß §316 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar.
Hierbei muss zunächst zwischen der absoluten und der relativen Fahruntüchtigkeit unterschieden werden. Eine absolute Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1‰ vor. Hierbei ist die Fahrweise unerheblich. Das bedeutet, dass selbst ein erfahrener Trinker, der sich noch bei Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vollkommen unter Kontrolle hat, absolut fahruntüchtig ist. Eine relative Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt hingegen vor, wenn konkrete Umstände der Tat erweisen, dass der Alkoholkonsum zu einer Fahruntüchtigkeit geführt hat. Hierfür genügt, je nach Art und Umständen, bereits der Konsum kleiner Mengen Alkohol.
Das bedeutet, dass sich die relative Fahruntüchtigkeit von der absoluten nicht im Grad der Trunkenheit, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist.
Ob jemand fahruntüchtig ist, wird meist mittels eines Atemtests oder einer Blutprobe ermittelt. Liegt ein solcher Test oder eine Probe nicht vor, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit gleichwohl nicht aus. Auch ohne eine dieser Möglichkeiten kann eine alkoholbedingte relative Fahrtüchtigkeit festgestellt werden. Hierbei hat der Richter eine umfassende Würdigung aller Beweisanzeichen vorzunehmen.
Konkret untersucht der Richter dabei, ob der Fahrfehler dem Täter ohne alkoholische Beeinträchtigung nicht unterlaufen wäre. Ein Beispiel wäre etwa das Geradeausfahren in einer Kurve.
Darüber hinaus prüft der Richter zu einen die Tatsache, dass der Täter vor der Polizei flüchten wollte als auch die Art der Flucht, d.h. ob der Täter deutlich unsicher, waghalsig und fehlerhaft fuhr. Dies sind Indikatoren für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
Schließlich kann eine Fahruntüchtigkeit auch im Verhalten vor oder nach der Tat, insbesondere bei der Kontrolle festgestellt werden. Anzeichen hierfür sind etwa Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie beispielsweise Stolpern oder Schwanken beim Gehen sowie eine lallende oder verwaschene Sprechweise.
Selbstverständlich ist der Richter bei der Würdigung der Gesamtumstände auf die Aussagen und Dokumentation der Zeugen (kontrollierenden Polizisten) angewiesen.
(Urteil des Bayrischen Oberlandesgericht vom 13.02.2023 – 203 StRR 455/22)
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Der Kläger buchte bei einem Reisebüro für elf Personen eine „Fahrt ins Blaue“ zu einem Preis von insgesamt 2.138 Euro. Die gebuchte Busreise samt Hotelübernachtungen sollte vom 13. bis 15. März 2020 stattfinden. Reiseziel und Reiseprogramm waren den Teilnehmern vor Antritt der Reise nicht bekannt. Zu Beginn der Reise wurde den Reisenden eine Reiseprogramm ausgehändigt. Es ging vom Emsland aus nach Hamburg. Dort waren eine Museumsausführung und eine große Hafenrundfahrt geplant. Als Höhepunkt wurde ein Musical-Besuch angekündigt. Am Nachmittag nach Beginn der Fahrt wurde der Gruppe mitgeteilt, dass letzterer Programmpunkt – der Musical-Besuch, der den Höhepunkt der „Fahrt ins Blaue“ darstellen sollte – wegen der Corona-Pandemie ausfallen müsse. Stattdessen wurde kurzfristig eine dreistündige Stadtrundfahrt organisiert.
Wegen mangelhafter Reise begehrte der Kläger für sich und die zehn weiteren Reisenden von der Reiseveranstalterin eine Preisminderung von insgesamt 715 Euro (65 Euro pro Teilnehmer).
Das Amtsgericht Lingen (Ems) hat die Klage des Klägers zunächst abgewiesen. Im Berufungsverfahren (LG Osnabrück) hatte der Kläger dagegen teilweise Erfolg. Der Reiseveranstalter wurde zur Zahlung von 320 Euro verpflichtet. Nach Ansicht des Landgerichts stelle der Ausfall des geplanten Musicalbesuchs einen Reisemangel dar, der zur Minderung von 15% berechtige. Er sei mit der Durchführung der Stadtrundfahrt nicht behoben worden. Eine Austauschbarkeit dieser Programmpunkte könne nicht angenommen werden, da eine Stadtrundfahrt gegenüber einem Musicalbesuch nicht gleichartig sei. Nach Konkretisierung der Reise stelle er einen Hauptprogrammpunkt dar. Dagegen wandte sich der Beklagte im Revisionsverfahren beim BGH und unterlag.
Der BGH (Urteil vom 14.02.2023 – X ZR 18/22) stimmte den Ausführungen des Landgerichts zu. Zwar habe dem Veranstalter gemäß § 315 Abs. 1 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht zugestanden. Durch Aushändigung des Reiseprogramms sei der Leistungsinhalt unwiderruflich nach §243 Abs. 1 BGB konkretisiert worden. Nichts habe darauf hingewiesen, dass das Programm vorläufigen Charakter habe und einzelne Punkte noch austauschbar gewesen wären. Dem Urteil zufolge sei der Wegfall des Musical-Besuchs ein Reisemangel, der eine Minderung des Reisespreises nach §651m Abs. 2 Satz 1 BGB rechtfertige. Eine Stadtrundfahrt sei kein gleichwertiges Äquivalent zum Musical-Besuchs, zumal das Musical vom Reiseveranstalter ausdrücklich als Höhepunkt der Reise bezeichnet worden sei.
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Der Fahrer eines geleasten Audi Q5 parkte auf der rechten Straßenseite in einer Parkbucht. Beim Vorbeifahren kollidierte ein Autofahrer mit der linken hinteren Tür des Audis. Daraufhin verklagte der Audi Fahrer den Schädiger auf Schadensersatz. Der Kläger behauptet, er habe die linke hintere Tür nur einen Spalt weit geöffnet, um Gegenstände von der Rückbank zu entnehmen. Die Tür habe nicht in den Fahrbahnbereich hineingeragt. Der Unfall sei damit für den Kläger unabwendbar gewesen. Die Beklagte hingegen äußerte, dass sie die offene Fahrertür des Audis wahrgenommen habe und daher höchstens mit 10 – 15 km/h und ausreichendem Sicherheitsabstand am Fahrzeug vorbeifuhr. Zur Kollision kam es nur, weil der Kläger während der Vorbeifahrt die Türe weiter (unabsichtlich) geöffnet habe.
Das Landgericht Saarbrücken hatte eine Haftungsverteilung 50:50 vorgenommen. Die Klägerin begehrte vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken vollen Ersatz und ging in Berufung.
Zunächst setzt sich das Gericht (OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.03.2023 – 3 U 9/23) mit der Aktivlegitimation des Klägers auseinander. Die Aktivlegitimation ist die Befugnis einer Person, ein bestimmtes Recht (hier: Schadensersatz) vor Gericht geltend zu machen. Wer aktiv legitimiert ist, kann als Kläger in einem Gerichtsverfahren auftreten und seine Ansprüche geltend machen.
Bei Leasingfahrzeugen ist in der Regel der Leasinggeber (meist Leasingunternehmen) Eigentümer des Fahrzeugs, während der Leasingnehmer (hier: der Kläger) lediglich einen Nutzungsvertrag hat. Meist ist der Leasingnehmer nicht aktivlegitimiert um Ansprüche gegen Dritte bei einem Unfall geltend zu machen. Eine Ausnahme kann bestehen, wenn der Leasingnehmer durch eine ausdrückliche Regelung im Vertrag zur Geltendmachung von Ansprüchen ermächtigt wird. Im vorliegenden Fall hat die Leasinggeberin den Kläger ermächtigt, die fahrzeugbezogenen Ansprüche aus dem Schadensfall im eignen Namen geltend zu machen. Daher ist der Kläger aktivlegitimiert.
Materiell-rechtlich sind §823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und §7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die einschlägigen Anspruchsgrundlagen für den Schadensersatz. Wer nach §823 Abs. 1 BGB vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Beschädigt der Halter beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache so ist er im Sinne des §7 Abs. 1 StVG verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatz liegen unstreitig vor. Das Oberlandesgericht musste letztlich untersuchen, ob den Leasingnehmer ein Mitverschulden am Unfall trifft.
Daher nahm das Gericht hinsichtlich der Haftungsverteilung Stellung. Zum Schutz des fließenden Verkehrs muss man sich beim Ein– oder Aussteigen so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Sorgfaltsanforderungen gelten nicht nur für den Zeitraum des Ein– und Aussteigens, sondern auch für alle Vorgänge, die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehen, d.h. auch für das Öffnen und Schließen der Tür. Nach Feststellung des Landgerichts habe die Tür 20 cm in die Fahrbahn hineingeragt. Daher hat der Kläger gegen §14 Absatz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen. Ihn trifft somit ein Verschulden und er kann nicht vom Schädiger vollständige Erstattung der Reparaturkosten verlangen. Er muss sich zu Hälfte beteiligen.
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Millionen Menschen stempeln. Jeden Morgen, jeden Abend stecken sie ihre Karte in eine Stechuhr oder halten ihren Chip vor ein Lesegerät und messen so ihre Arbeitszeit. Das passiert vor allem in Schichten oder im öffentlichen Dienst wo linear über acht Stunden gearbeitet wird. Vertreter einiger Branchen hielten das lange für altmodisch. In vielen Bereichen gilt stattdessen die „Vertrauensarbeitszeit“ – vor allem dort, wo unregelmäßig gearbeitet wird, beispielsweise in der Wissenschaft oder beim modernen Mittelständler.
Seit 2019 ist jedoch klar: Die Vertrauensarbeitszeit hat ihre Grenzen. Der EuGH hat in seinem „Stechuhr-Urteil“ klargestellt, dass die Arbeitgeber die geleisteten Arbeitsstunden dokumentieren müssen. Seitdem hat sich allerdings noch nicht viel in Deutschland getan. Jetzt hat das Bundesarbeitsministerium um Hubertus Heil einen Entwurf zur konkreten Umsetzung vorgestellt.
Laut Gesetzentwurf müssen Arbeitgeber „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer“ am jeweiligen Arbeitstag „elektronisch aufzeichnen“. Die Beschäftigten könnten ihre Arbeitszeit selbst dokumentieren, dies könne aber auch durch „einen Dritten erfolgen“ (z.B. einen Vorgesetzten). Der Arbeitgeber soll den Beschäftigten zudem auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren. Dennoch sollen die Tarifparteien Ausnahmen vereinbaren können. Eine händische Aufzeichnung in Papierform genüge gleichermaßen. Außerdem könne die Aufzeichnung auch an einem anderen Tag erfolgen, spätestens jedoch bis zum Ablauf des siebten, auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages.
Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung will das Arbeitsministerium nicht vorschreiben. Neben bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten kämen auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon in Betracht. Möglich sei auch eine kollektive Arbeitszeiterfassung durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne – falls sich daraus Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ableiten lassen.
Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung und Digitalisierung seien die Arbeitszeiten immer flexibler geworden. Daher komme besonders in einer flexiblen Arbeitswelt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine herausragende Bedeutung zu. Die damit verbundene erleichterte Kontrolle des Arbeitgebers über Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten leistet einen Beitrag zur Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer. So gab es laut statistischem Bundesamt Jahr 2021 rund 818 bezahlte und 893 Millionen unbezahlte Überstunden in Deutschland.
Nichtsdestotrotz soll die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit durch die Pflicht zur Arbeitsaufzeichnung nicht beeinträchtigt werden. Gemeint ist damit das flexible Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet.
Fazit
Der Gesetzesentwurf wird, je nach Lager, unterschiedlich bewertet. Manche behaupten, der Entwurf schnüre das bürokratische Korsett für die Unternehmen immer weiter zu. Andere hingegen erklären, dass die Arbeitszeiterfassung ein wirksames Instrument für den Gesundheitsschutz und gegen Lohnraub sei. Angesichts der Tatsache, dass sich seit Jahren die Zahl der Überstunden auf einem hohen Niveau eingependelt hat, ist der Gesetzesentwurf im Großen und Ganzen sehr begrüßenswert.
Urteil des OVG Münster vom 17.03.2023, AZ: 4 A 1986/22
Ein Steuerberater, eine Kosmetikstudio-Inhaberin und ein Schnellrestaurant-Betreiber hatten im ersten Corona-Lockdown jeweils 9.000€ Soforthilfe als Selbstständige bzw. Unternehmer erhalten. Nachdem sie bezogen auf den dreimonatigen Bewilligungszeitraum Einnahmen und Ausgaben rückgemeldet hatten, ergingen Schlussbescheide. Damit wurde ein aus dem elektronischen Rückmeldeformular errechneter „Liquiditätsengpass“ festgestellt und die Differenz zwischen diesem und dem ausgezahlten Pauschalbetrag zurückgefordert. Das Land NRW hat später in den Schlussbescheiden jeweils rund 7.000€ zurückgefordert. Hiergegen erhoben die drei Zahlungsempfänger Klage.
Das OVG hat die Schussbescheide des Landes für rechtswidrig erklärt. Die Rückforderungsbescheide sind daher aufzuheben. Das Land habe die Vorgaben der Bewilligungsbescheide, die für die endgültige Festsetzung bindend seien, nicht beachtet. Es sei unklar geblieben, ob mit den Hilfen ausgefallener Umsatz, Zahlungsprobleme oder Unterhalt ersetzt werden sollte. Laut Gericht gehe es einzig um die Milderung von finanziellen Notlagen eines Unternehmens oder Selbstständigen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie; insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässe. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren finde in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage. Die darin von dem Zuwendungsempfänger verlangten Angaben waren ungeeignet, um letztlich jeweils zu belassene Förderungssumme unter Berücksichtigung der bindenden Festsetzungen der Bewilligungsbescheide zu bestimmen.
Laut Gericht kann das Land die für die Engpasskompensation verwendeten Hilfen nicht zurückfordern. Es sei aber berechtigt, die den Empfänger letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden Schlussbescheiden endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Zwar hätten alle Empfänger darauf vertrauen können, dass sie keine Mittel zurückzahlen müssen, die berechtigterweise zur Milderung finanzieller Notlagen oder zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet worden sind. Dennoch hätte objektiven Empfängern der Bewilligungsbescheide auffallen müssen, dass die Soforthilfe vollumfänglich nur zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden durfte, entsprechende Mittelverwendungen nachzuweisen und bei Einzelprüfung zu belegen sowie nicht zweckentsprechend benötigte Mittel nachträglich zu ermitteln und zurückzuzahlen waren, so das OVG.
Auswirkungen
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Wer ein Auto mit unzulässiger Abschalteinrichtung gekauft hat, hat nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) deutlich bessere Chancen auf Schadensersatz. Autohersteller können auch dann haften, wenn sie ohne Betrugsabsicht fahrlässig gehandelt haben. Das entschied der EuGH in Luxemburg (Urteil vom 21.03.2023, AZ: C-199/21) und versetzte damit den Autoherstellern einen empfindlichen Schlag. Der BGH hatte bislang deutlich industriefreundlicher geurteilt.
Ein privater Käufer hatte vor dem Landgericht Ravensburg gegenüber der Mercedes-Benz Group auf Schadensersatz geklagt. Der Schaden soll dadurch entstanden sein, dass Mercedes das erworbene Diesel-Auto mit einer Software ausgerüstet habe, mit der die Abgasrückführung verringert werde, wenn die Außentemperaturen unter einem bestimmten Schwellenwert liege (sog. Thermofenster). Abschalteinrichtung, die als Folge höhere Stickstoffoxid-Emissionen ausstoßen, sind hinsichtlich leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen verboten.
Hinweis: Es handelt sich nicht um die Abschaltvorrichtung aus dem VW-Dieselskandal 2015, bei dem VW Betrugssoftwares in die Autos eingebaut hatte, damit die Autos bei behördlichen Tests weniger Abgase ausstoßen als im normalen Fahrbetrieb.
Der Europäische Gerichtshof hat sehr verbraucherfreundlich entschieden, indem es die Anforderungen von vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§826 BGB) auf fahrlässige Schädigung herabsetzt. Begründet haben sie es wie folgt: wenn der Kunde ein Auto kauft, erhält er vom Hersteller ein Dokument, mit dem er bestätigt, dass das Auto allen Anforderungen entspricht. Das Dokument schütze den Käufer davor, dass der Hersteller seine Pflichten einhält, d.h. auch die Abgaswerte einhält. Mit den Thermofenstern emittiert das Auto höhere Abgaswerte und es kommt zu einer Pflichtverletzung.
Zugleich weisen die Luxemburger Richter darauf hin, dass sie die Frage des Landgericht Ravensburg zum Schadensersatz in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften nicht entscheiden können. Ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für einen Schadensersatz vorliegen und wie hoch ein eventueller Anspruch ausfällt, müssen die nationalen Gerichte festlegen. Zugleich unterstreicht der Gerichtshof, dass die nationalen Vorschriften nicht dazu führen dürfen, dass der Anspruch auf einen angemessenen Schadensersatz übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht wird.
Mit dieser Entscheidung ist der Abgasskandal noch lange nicht abgeschlossen. Durch die Herabsetzung der Anforderungen auf Schadenersatz bei eingebauten Abschalteinrichtungen ist mit einer neuen Klagewelle zu rechnen. Bereits jetzt liegen dem BGH über 1.900 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden vor. Weiterhin sind viele Fragen offen. Es ist sehr umstritten, welche Abgaseinrichtungen zulässig sind und welche nicht. Am 8.Mai 2023 wird der BGH tagen und dabei untersuchen, wie die unterschiedlichen Rechtssprechungslinien zusammengebracht werden können.
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Wenn einer Person bei einem Verkehrsunfall ein körperlicher Schaden entsteht, steht ihr in den meisten Fällen Schmerzensgeld zu. Gleiches gilt, wenn eine Person durch einen Unfall, in dem sie selbst verwickelt war, psychische Verletzungen davonträgt. Anders schaut es hingegen aus, wenn die Person nicht selbst das Opfer eines Unfalls oder einer Verletzung ist, sich gleichwohl aber mit dem Geschehen psychisch konfrontiert sieht. Konkret handelt es sich bei sogenannten Schockschäden um psychische Erkrankungen, die durch Schock ausgelöst werden.
Ein Mädchen wurde im Alter von 5 Jahren von einem Fremden sexuell misshandelt. Während den Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens musste sich der Vater mit dem Schicksal seiner Tochter auseinandersetzen, woraufhin bei ihm eine Anpassungsstörung (ICD-10 F4 3 – 2) diagnostiziert wurde. Daraufhin war er für mehr als ein Jahr arbeitsunfähig gewesen.
Bislang wurden an die Geltendmachung eines Anspruchs durch Schockschäden hohe Anforderungen gesetzt. Es mussten zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein. Zum einen musste der Betroffener die psychische Erkrankung infolge des Schicksals des Angehörigen darlegen und beweisen, zum anderen wurde für den Schockschaden immer ein außergewöhnlich hohes Ausmaß der psychischen Beeinträchtigung gefordert. Das bedeutet, dass die Folgen schwerwiegender sein müssen, als bei einer ähnlichen Schreckensnachricht üblicherweise zu erwarten gewesen wäre.
Der BGH hat in seiner Entscheidung über den oben geschilderten Fall die Anforderung an Ansprüche aus Schockschäden herabgesetzt, indem er die letztere Bedingung beseitigte. Ist eine psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar (d.h. kann sie diagnostiziert werden), ist die Gesundheitsverletzung, unabhängig vom Schwergrad der psychischen Beeinträchtigung, zu bejahen.
Durch das jüngste Urteil des BGHs wurden die Rechte derjenigen gestärkt, die aufgrund von Schockschäden psychische Beeinträchtigungen erlitten. Damit kommt es zu einer gerechten Gleichstellung zwischen physischen und psychischen Schäden. Allerdings muss weiterhin die psychische Beeinträchtigung bewiesen werden, andernfalls drohe dem Schädiger eine uferlose Haftung.
Dennoch sollten sich die Geschädigten bei der Summe des Schmerzensgeldes nicht allzu große Hoffnungen machen. Als ein Mann seine Ehefrau bei einem Motorradunfall verlor und aufgrund dessen unter starken Depressionen litt, sprach das Gericht ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000€ zu. Das ist meist ein schwaches Trostpflaster.
Pro Jahr ereignen sich rund 250.000 Wildunfälle auf deutschen Straßen. Dabei ist nicht jeder Unfall im Zusammenhang mit einem Tier in freier Wildbahn ein Wildunfall. Ein Wildunfall liegt üblicherweise nur dann vor, wenn durch den Zusammenprall mit einem Haarwild ein Schaden am Fahrzeug entsteht. Um Haarwild handelt es sich bei Rehe, Hirsche, Wildschweine, Füchse und Hasen. Schäden durch Kühe, Pferde, Hunde Katzen oder Vögel werden daher nicht als Wildunfall deklariert. Die hierdurch entstanden Kosten am Fahrzeug trägt in der Regel die Versicherung.
Versicherungstechnisch problematischer liegt der Fall, wenn man durch ein Ausweichmanöver einen direkten Zusammenprall mit dem Wild vermieden hat, gleichwohl ein Schaden am Fahrzeug eingetreten ist (z.B., wenn man gegen eine Leitplanke gefahren ist). Praktisch handelt es sich meist um schwer nachweisbare Fälle, da der Geschädigte häufig allein unterwegs ist. Ihm stehen folglich sehr beschränkte Beweismöglichkeiten zur Verfügung. Dem Unfallverursacher bleibt dann allenfalls ein Rückgriff auf eine (falls vorhandene) Vollkaskoversicherung übrig. Von einer Selbstbeteiligung bleibt man dabei nicht verschont. Darüber hinaus kommt es zur Rückstufung, sofern kein Rabattschutz oder Rabattretter existiert.
Das OLG Saarbrücken, hatte sich nun mit dem Fall eines Ausweichmanövers beschäftigen müssen und dabei Voraussetzungen genannt, unter denen der eingetretene Schaden aufgrund eines Ausweichmanövers von der Versicherung erstattungsfähig ist.
1. Darlegungs– und Beweislast des Versicherungsnehmers
Als Versicherungsnehmer genügt es, wenn man die Anwesenheit von Wild in naher Entfernung wahrgenommen hat und das Fahrverhalten dementsprechend anpasst, um eine mögliche Kollision zu verhindern. Das genaue Verhalten des Tieres muss hierbei nicht analysiert werden. Jedoch muss nach Beurteilung der Umstände eine objektive Befürchtung bestehen, dass das Wild auf die Fahrbahn läuft und ein Zusammenstoß provozieren könnte. Ob das Tier auch sicher auf die Fahrbahn laufen würden, ist dabei unerheblich.
2. Reflexhandlung genügt als Rettungshandlung
Für die Annahme einer Rettungshandlung genügt es, wenn sie objektiv den Schaden verhindern/mindern soll. Ein subjektiv „bewusster“ Rettungswille ist dabei nicht erforderlich, d.h., dass auch Reflexhandlungen eine Rettungshandlung darstellen können (z.B. instinktiv schnelles Herumreißen des Lenkers).
3. „Gebotenheit“ der Rettungsmaßnahme
Zudem muss das Ausweichmanöver geboten sein. Bei der Beurteilung der Gebotenheit sind insbesondere Umstände wie die Größe des Tieres, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs und ein möglicher Gegenverkehr zu berücksichtigen. So kann eine Gebotenheit bejaht werden, wenn man bei erhöhter Geschwindigkeit eine Kollision mit einem größeren Tier zu befürchten hat.
4. Keine vollständig übereinstimmenden Aussagen sind kein Ausschlussgrund
Sollte der Fahrer bei dem Unfall einen Beifahrer neben sich sitzen haben, ist es kein Ausschlusskriterium, wenn die Schilderung der beteiligten Personen über die Umstände gegenüber der Polizei/Versicherung divergieren. Oftmals erkennt der Fahrer aufgrund der höheren Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr die Gefahr früher als sein Beifahrer. Zudem nimmt jeder die Sekunden vor, während und nach dem Unfallgeschehen unterschiedlich wahr. Solange das Kerngeschehen der Aussagen übereinstimmt, ist eine Abweichung unerheblich
Hinweis:
Liegen die Voraussetzungen vor, kann der Geschädigte nicht nur die Reparaturkosten des Fahrzeugs ersetzt verlangen, sondern auch etwaige Schäden an Schutzkleidern oder Kleidungsstücken. Das ist insbesondere dann einschlägig, wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist und die Motorrad-Schutzkleidung und der Helm beschädigt ist
Etwaige Beifahrer haben gleichermaßen einen Schadensersatzanspruch.