Ist es einem Vermieter gestattet, von seinem Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses fiktive, d.h. geschätzte Kosten für die Beseitigung von Schäden am Mietobjekt und für unterlassene Schönheitsreparaturen, als auch für Rückbauten erstattet zu erhalten?
Der VII. Senat lehnte im Bau– und Werkvertragsrecht die Erstattung von fiktiv berechneten Mängelbeseitigungskosten ab. Einer fiktiven Schadensberechnung läge kein Vermögensschaden zugrunde, die für eine Geltendmachung erforderlich sei. Ebenso bestehe bei einer Kompensation von geschätzten Kosten die Gefahr einer Überkompensation und damit einer ungerechtfertigten Bereicherung des Bestellers. Doch ist diese Rechtsprechung ebenso auf das Mietrecht anwendbar?
Der klagende Vermieter verlangte vom beklagten Mieter die Erstattung eines von ihm eingeholten Kostenvorschusses über 8.425 EUR für geplante Schönheitsreparaturen, als auch Schadensersatz in Höhe von 881 EUR. Die Beträge setzten sich wie folgt zusammen: Die Beklagte hatte die Wohnung nach Ende des Mietvertrages 2 Tage zu spät herausgegeben. Der Aufforderung Schönheitsreparaturen wie beispielsweise die Erneuerung der Wandfliesen in der Küche durchzuführen kam die Beklagte nicht nach, woraufhin der Kläger einen Kostenvoranschlag für einige Schönheitsreparaturen einholte. Einige Reparaturen führte er zum Teil selbst aus. Die Kosten verlangte er von der Mieterin zu erstatten.
AG und LG lehnen Ansprüche ab
Das AG Lüdenscheid, als auch das LG Hagen lehnten einen Anspruch des Klägers ab. Es gebe keinen Anspruch im Mietrecht aus dem der Kostenvorschussanspruch von 8.425 EUR geltend gemacht werden kann. Ebenso gebe es keinen Anspruch auf Geltendmachung des Schadensersatzes in Höhe von 881 EUR. Die Rechtsprechung aus dem Bau– und Werkvertragsrecht sei daher auf das Mietrecht übertragbar.
Laut BGH: Fiktive Berechnung ist möglich
Der VIII. Zivilsenat prüfte, ob ein Vermieter geschätzte und voraussichtlich anfallende Kosten erstattet verlangen darf. Das Urteil des LG wurde aufgehoben: Eine Fiktive Schadensberechnung ist im Mietrecht zulässig. Eine Gefahr der Überkompensation und damit einer ungerechtfertigten Bereicherung besteht im Mietrecht nicht, da dem Geschädigten nur die Erstattung der zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten gestattet ist. Ebenso gewährt der Grundsatz von Treu und Glauben eine Inhaltsbegrenzung, die eine Überkompensation verhindert.
Ein Headhunter ist eine Person oder ein Unternehmen, das im Auftrag von Unternehmen nach qualifizierten Fach– und Führungskräften für bestimmte Positionen sucht. Hierfür erhalten sie eine Provision für jede erfolgreiche Vermittlung von Arbeitnehmer an Arbeitgeber. Gezahlt wird diese normalerweise durch den Arbeitgeber – in der Aussicht, dass der Arbeitnehmer länger bleibt.
Nachdem ein Headhunter erfolgreich vermittelt hat, schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Ende März 2021 einen Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage der klagende Arbeitnehmer ab dem 01.05.2021 bei der beklagten Arbeitgeberin tätig wurde. Für die Vermittlung erhielt der Headhunter rund 4.500 Euro. In dem Arbeitsvertrag hielt der Arbeitgeber fest, dass er einen Teil der gezahlten Vermittlerprovision vom Arbeitnehmer zurückverlangen könne, sofern das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 (d.h. nicht über 14 Monate) hinaus fortbestehen sollte. Bereits nach zwei Monate hatte der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag fristgerecht gekündigt. Anschließend behielt die Beklagte hinsichtlich der „geschuldeten“ Provisionserstattung einen Teilbetrag von 800 Euro vom Gehalt des Arbeitnehmers ein. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer und forderte die Zahlung des einbehaltenen Vergütungsbetrags. Er behauptete, die Erstattungsregelung sei unwirksam, weil sie ihn unangemessen benachteiligte. Die Beklagte hingegen wand ein berechtigtes Interesse an der Provision ein.
Das Bundesarbeitsgericht stimmte der Ansicht des Arbeitnehmers zu (BAG, Urteil vom 20.06.2023 – 1 AZR 265/22). Nach Auffassung der Richter in Erfurt benachteilige die Provisionsregelung den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher nach §307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Kläger werde hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründetes Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beende. Es bestehe deshalb kein billigenswertes Interesse der Beklagten, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Der Kläger erhalte auch keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahl ausgleichen könnte.
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E-Scooter sind praktisch, schnell und – umstritten. Während sie insbesondere in der jüngeren Altersgruppe auf allgemeine Beliebtheit stoßen, stehen ihnen gerade ältere Menschen kritisch gegenüber. Gründe sind unter anderem, dass sie den öffentlichen Raum blockieren, dass manche Fahrerinnen und Fahrer verbotenerweise auf dem Gehweg unterwegs sind oder das sorglose Parken auf Gehwegen. Zumindest letzteres könnte sich in Zukunft ändern. Wird ein E-Scooter auf dem Gehweg so abgestellt, dass er andere Verkehrsteilnehmer behindert und gefährdet, liegt ein bußgeldbewährter Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot vor. Zwar wird vor Erlass des Bußgeldbescheids der Vermieter des Scooters zur Person des Fahrzeugführers angehört, kann er jedoch keine Angaben zur Person machen, erhält er den Halterkostenbescheid. Schließlich seien E-Scooter –Vermieter letztendlich auch Halter eines Kraftfahrzeugs. Es kann angenommen werden, dass zukünftig die Daten der Fahrer bei jeder Fahrt im System des Scooter-Vermieters hinterlegt werden, sodass im Falle eines Bußgeldbescheids der Fahrer ermittelt werden kann. Dies dürfte das sorglose Parken auf den Gehwegen eindämmen.
Amtsgericht Hamburg-Altona, Beschluss vom 23.01.2023 – 327b OWi 1/23
Nach dem Abitur haben viele Abiturientinnen und Abiturienten den Wunsch zu reisen. Manche wollen in einem Work and Travel Jahr in Neuseeland Schafe scheren, andere wiederum unterstützen soziale Projekte in Südamerika. Ob Neuseeland, Australien oder Peru – ohne Anschlussflug erreicht man diese Ziele nicht. In einem neu ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.2023 (Aktenzeichen: X ZR 15/20) hat dieses die Fluggastrechte bei verspäteten Anschlussflügen gestärkt.
Eine Frau buchte über ein Reisebüro für den 25. Juli 2018 einen Flug mit der Fluggesellschaft Swiss von Stuttgart nach Zürich und Flüge mit der Beklagten von Zürich nach Philadelphia und von Philadelphia nach Kansas City. Der erste und zweite Flug wurde planmäßig durchgeführt. Auf der letzten Teilstrecke startete der Flug verspätet. Die Frau erreichte Kansas City mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden. Anschließend forderte sie Ausgleichszahlungen in Höhe von 600,00 Euro. Gestützt hat sie sich auf Art. 5 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. c der EU– Fluggastrechteverordnung. Sowohl das Amtsgericht Nürtingen als auch das Landgericht Stuttgart lehnten dies ab und begründeten das mit der Nichtanwendbarkeit der Verordnung.
Buchung der drei Teilflüge als Gesamtheit
Der Bundesgerichtshof zog den Europäischen Gerichtshof zurate und entschied nun nach dessen Vorabentscheidung, die Verordnung für anwendbar. Nach der Rechtsprechung der Europäischen Union sei die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung bei einem Flug mit direkten Anschlussflüge unter Berücksichtigung des ersten Abflugortes und des Endziels zu beurteilen, wenn der Flug als eine Gesamtheit anzusehen sei. Das Reisebüro habe eine Rechnung zu einem „Vermittlungsauftrag“ erteilt, die für die hier interessierenden Flüge sowie für den Rückflug einen einheitlichen „Teilnehmerpreis“ ausweise. Aus der Rechnung ergebe sich ferner, dass das Reisebüro für die Flüge ein einheitliches Ticket ausgegeben habe, dessen Nummern auch auf den Boardkarten für die drei interessierenden Flüge wiedergegeben sei. Vor diesem Hintergrund hat der BGH abgeleitet, dass die drei Teilflüge als Gesamtheit mit Abflugort in Deutschland zu betrachten seien. Demnach stehe ihr eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro zu.
Wer eine mit Umstiegen verbundene Flugreise in einem EU-Land startet, hat bei Verspätung auch dann Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn diese erst bei einem späteren Teilflug jenseits der EU auftritt. Dabei spielt es keine Rolle, ob direkte Anschlussflüge von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen Airlines durchgeführt werden.
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Zwei mutmaßliche Täter wurden wegen Steuerhinterziehung (in 20 Fällen) und Vorenthalten sowie Veruntreuens von Arbeitsentgelt (in 24 Fällen) angeklagt. Außerhalb des Hauptverfahrens überlegten die Verfahrensbeteiligten, ob man sich verständigen könne. Über den Inhalt des Gesprächs erstellte der Vorsitzende der Strafkammer einen Vermerk. In der Hauptverhandlung schlug das Landgericht am ersten Verhandlungstag eine Verfahrensabsprache vor, wonach gegen ein Geständnis der Angeklagten Strafen im bewährungsfähigen Bereich zu erwarten seien (sog. „Deal“). Nach ordnungsgemäßer Belehrung wurde die Verhandlung vertagt, um den Verfahrensbeteiligten Bedenkzeit zu geben. Wegen Erkrankung des Vorsitzenden Richters musste das Verfahren ausgesetzt werden. Der neue Vorsitzende erklärte in der Hauptverhandlung, es habe keine Verständigung gegeben und – falls es früher Verständigungsgespräche gegeben habe – bestehe für die Beteiligten keine Bindungswirkung. Inhalt der Verständigungsgespräche trug der Vorsitzende nicht vor. Anschließend wurden die Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die Einziehung von rund 96.000€ angeordnet. Hiergegeben erhoben die zwei Verurteilten Revision vor dem BGH unter Berufung auf Verletzung der Mitteilungspflicht (Beschluss vom 4.04.2023 – 1 StR 455/22).
Hinweis:
Verständigungsgespräche im Strafverfahren sind Verhandlungen zwischen der Staatsanwaltschaft, dem Gericht und dem Angeklagten (oder seinem Verteidiger) um eine mögliche Einigung in einem Strafverfahren zu erzielen. Sie dienen dem Zweck, das Verfahren zu beschleunigen, Kosten zu reduzieren und eine gerichtliche Entscheidung zu vermeiden. Während solcher Verständigungsgespräche können verschiedene Aspekte des Verfahrens verhandelt werden, wie beispielhaft die Frage nach der Schuld des Angeklagten oder die Höhe der Strafe. In der Regel geht es darum, eine Vereinbarung zu treffen, bei der der Angeklagte im Gegenzug für ein Geständnis oder anderer Zugeständnisse eine mildere Strafe erhält.
Eine Verfahrensbeanstandung der Verletzung der Mitteilungspflicht bezieht sich auf den Vorwurf, dass im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens eine Mitteilungspflicht verletzt wurde. Wenn eine Partei (hier: die Angeklagten) der Ansicht ist, dass eine solche Mitteilungspflicht nicht erfüllt wurde, kann sie eine Verfahrensbeanstandung erheben. Das bedeutet, dass die Partei das Gericht darauf aufmerksam macht, dass sie der Meinung ist, dass ihre Rechte verletzt wurden, weil ihr bestimmte Informationen (z.B. eine Einigung zwischen Angeklagten und Staatsanwaltschaft) nicht rechtzeitig oder gar nicht mitgeteilt wurden.
Das Gericht gab die Revision statt. Indem der (neue) Vorsitzende den Inhalt der Verständigungsgespräche in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt habe, habe er gegen die Mitteilungspflicht verstoßen. Ein Hinweis auf frühere Gespräche genüge nicht, auch wenn das Verfahren ausgesetzt war. Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht sei es, die Angeklagten und die Öffentlichkeit von allen verständigungsbezogenen Erörterungen zu informieren. Dieser Sinn und Zweck könne nicht von der Besetzung des Gerichts abhängig gemacht werden.
Die Revision der Einziehungsbeteiligten hat der BGH als unbegründet zurückgewiesen. Die Verfahrensrüge richte sich ausschließlich gegen das Zustandekommen der Schuldsprüche gegenüber den Angeklagten und könne nicht Teil von Verfahrensabsprachen sein.
Hinweis:
Eine Einziehungsentscheidung ist eine gerichtliche Anordnung, bei der Vermögenswerte oder Gegenstände, die im Zusammenhang mit einer Straftat erlangt wurden (z.B. Diebstahl oder Steuerhinterziehung) eingezogen werden. Die Einziehung dient dazu, unrechtmäßig erlangtes Vermögen oder Gegenstände dem Täter zu entziehen und sie für staatliche Zwecke zu nutzen oder zu verwerten. Die Einziehung von Vermögenswerten dient verschiedenen Zwecken, wie beispielsweise der Entschädigung von Opfern, der Abschreckung von Straftaten und der Verhinderung der Wiederholung strafbarer Handlungen.
Die Entscheidung wird an das Gericht zurückverwiesen. Dieses muss sich an den Inhalt des vorangegangenen Verständigungsgesprächs halten. Demzufolge haben die Angeklagten keine Freiheitsstrafe, sondern eine Strafaussetzung auf Bewährung zu erwarten. Die rund 96.000 Euro werden dennoch eingezogen.
Ein Stromversorger klagte gegen einen Kunden auf Erstattung von Stromkosten. Der Beklagte wurde im Zuge eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß verurteilt. Zugestellt wurde dem Beklagten das Urteil am 7.10.2021 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Am 22.10.2021 (d.h. 15 Tage später) erhob der Beklagte Einspruch gegen das Urteil. Auf Hinweisung der zweiwöchigen Einspruchsfrist (i.d.R. 14 Tage), behauptete der Beklagte, den Brief erst am 8.10.2021 aus dem Briefkasten entnommen zu haben. Auf dem Umschlag sei das Zustellungsdatum nicht vermerkt gewesen, so der Beklage.
BGH widerspricht dem Amts– und Landgericht
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und des Landgerichts entschied der VIII. Zivilsenat des BGH (Urteil vom 15.03.2023 – VIII ZR 99/22), dass ein Vermerk des Datums der Zustellung auf den Umschlag eine zwingende Verpflichtung des Zustellers sei. Demnach führe der fehlende Vermerk über das Zustellungsdatum auf dem Umschlag zur Unwirksamkeit der Zustellung. Den Kläger treffe die Darlegungs– und Beweislast für eine noch am 7.10.2021 erfolgte tatsächliche Kenntnisnahme des Beklagten. Kann der klagende Stromversorger beweisen, dass auf dem Briefumschlag das Datum vermerkt war, ist der Einspruch des Beklagten verfristet und folglich unzulässig. Kann der Kläger hingegen den Datumsvermerk nicht beweisen, ist der Einspruch nicht verfristet und demzufolge zulässig. Nichtsdestotrotz kann der Einspruch unbegründet sein mit der Folge, dass der Beklagte dennoch zur Zahlung der Stromkosten verurteilt wird.
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Das OLG Oldenburg hat in einem Urteil vom 20.04.2023 entschieden:
Mutter verletzt ihre Aufsichtsplicht, wenn sie ihr 2 ½ jähriges Kind alleine und nicht angeschnallt im Auto zurücklässt – Sie haftet dafür, dass er das Auto startet und eine dritte Person hierdurch verletzt wird.
Die beklagte Kindsmutter setzte ihren Sohn nach einer Familienfeier in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz ihres Autos. Ohne ihn anzuschnallen ging sie noch einmal für ein bis maximal zweiminütig ins Haus zurück. Die Autoschlüssel ließ sie auf dem Armaturenbrett des Autos liegen. In der Abwesenheit der Mutter krabbelte der Junge vom Kindersitz zum Autoschlüssel und startete das Auto. Der Wagen machte einen Satz nach vorne wodurch die Großmutter des Kindes, die ca. 1,5m entfernt vom Auto auf einer Bank saß schwer verletzt wurde.
Krankenkasse verklagt Kindsmutter
Die Krankenkasse der Großmutter verklagte die Kindsmutter. Sie habe ihre Aufsichtsplicht gemäß §§1631 Abs.1, 823 Abs.1 S.1 BGB verletzt. Das Landgericht Osnabrück gab der beklagten Kindsmutter recht und wies die Klage ab. Die Mutter hätte nicht mit dem Geschehensablauf rechnen müssen. Es liege außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Kleinkind von 2 ½ Jahren innerhalb von ein, zwei Minuten nach Autoschlüsseln greift und das Auto startet.
Entscheidung des OLG
Die Krankenkasse legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück Berufung ein – mit Erfolg. Das OLG Oldenburg gibt der klagenden Krankenkasse recht. Die Mutter hat ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren 2 ½ jährigen Sohn alleine, nicht angeschnallt und mit den Autoschlüsseln im Auto zurückließ. Hierdurch schuf sie eine nicht nur unerhebliche Gefahr. Die sich realisierte Gefahr liegt nicht außerhalb der Lebenserfahrung. Ein Kleinkind ahmt Verhaltensweisen Erwachsener im Allgemeinen nach und im Krabbelalter wird erfahrungsgemäß nach Schlüsseln gegriffen und versucht diese in Schlösser hineinzustecken.
Ihre Aufsichtspflicht hätte es geboten die Schlüssel mitzunehmen, das Kind anzuschnallen oder jemanden zu bitten sich für die Zeit, in der sie in der Wohnung war, auf das Kind aufzupassen. Den entstandenen Schaden muss die Kindsmutter tragen. Der genaue Schadensbetrag wird noch ermittelt.
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Angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, wurde es einem bestimmten Sender verboten, ein bestimmtes Programm zu senden oder dessen Sendung in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Der Sender war zugleich Mieter und Beklagter von Gewerberäumen gewesen. Obwohl der Mieter über etliche Jahre die Miete anstandslos zahlte, stoppte er die Mietzahlung plötzlich für zwei aufeinanderfolgende Monate. Daraufhin wurde das Mietverhältnis vom Vermieter (zugleich Kläger) fristlos und ordentlich gekündigt. Die Beklagte wendet sich gegen die Kündigung und behauptet sie sei wegen Zahlungsverzugs rechtsmissbräuchlich, weil der Mieter während der achtjährigen Mietzeit beanstandungsfrei gezahlt habe. Der Vermieter hätte erkennen müssen, dass kein Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, sondern ein Versehen vorgelegen habe.
Bei einer Kündigung des Mietverhältnisses eines Wohnraums ist eine vorherige Abmahnung erforderlich. Vorliegend handelt es sich bei Mietobjekt nicht um einen Wohnraum, sondern um Gewerberäume. Eine vorangeschaltete Abmahnung ist daher entbehrlich. Dennoch kann auch bei Gewerberäumen eine vorangeschaltete Abmahnung ausnahmsweise nach Treu und Glauben geboten sein. Voraussetzung ist, dass sich dem Vermieter die Erkenntnis aufdrängen muss, dass der Zahlungsrückstand nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder –unwilligkeit des Mieters beruht, sondern auf einem geringfügigen Versehen oder sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umstand. Auf diese nach Treu und Glauben gebotene Abmahnung stützt sich der Beklagte. Schließlich habe der Mieter Millionenbeiträge in das Projekt und Umbaumaßnahmen investiert, die auf keine Zahlungsunfähigkeit oder –unwilligkeit hindeuten.
Jedoch habe es laut Gericht der Kläger für möglich halten können, dass die Einstellung der Mietzahlung im Zusammenhang mit dem Sendeverbot stand. Für ihn sei nicht auszuschließen gewesen, dass die Mietzahlung aus Zahlungsunwilligkeit ausgeblieben war und weiter ausbleiben werde. Auch die Tatsache, dass der Mieter Millionenbeiträge in das Projekt und Umbaumaßnahmen investiert hat, widerlegt eine Vermutung nicht. Das Gericht stellt klar, dass allein eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Vergangenheit durch pünktliche Mietzahlung eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht rechtsmissbräuchlich mache.
An eine Kündigung werden gleichwohl höhere materiell-rechtliche Anforderungen gestellt, wenn der Beklagte durch diese in seiner Existenz gefährdet wird. Der Beklagte konnte eine solche Gefährdung nicht schlüssig darlegen, weil es seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht konkret erkennen ließ.
Deshalb hat das Gericht (Kammergericht, Beschluss vom 16.03.2023 – 8 U 178/22) den Mieter aufgrund einer fristlosen Kündigung der klagenden Vermieterin wegen Zahlungsverzugs zur Räumung und Herausgabe von Gewerbeflächen verurteilt. Das Recht zur Kündigung ergibt aus der dem Zahlungsverzug mit den Mieten für die Monate Mai und Juni 2022.
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Wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, ist gemäß §316 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar.
Hierbei muss zunächst zwischen der absoluten und der relativen Fahruntüchtigkeit unterschieden werden. Eine absolute Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1‰ vor. Hierbei ist die Fahrweise unerheblich. Das bedeutet, dass selbst ein erfahrener Trinker, der sich noch bei Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vollkommen unter Kontrolle hat, absolut fahruntüchtig ist. Eine relative Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt hingegen vor, wenn konkrete Umstände der Tat erweisen, dass der Alkoholkonsum zu einer Fahruntüchtigkeit geführt hat. Hierfür genügt, je nach Art und Umständen, bereits der Konsum kleiner Mengen Alkohol.
Das bedeutet, dass sich die relative Fahruntüchtigkeit von der absoluten nicht im Grad der Trunkenheit, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist.
Ob jemand fahruntüchtig ist, wird meist mittels eines Atemtests oder einer Blutprobe ermittelt. Liegt ein solcher Test oder eine Probe nicht vor, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit gleichwohl nicht aus. Auch ohne eine dieser Möglichkeiten kann eine alkoholbedingte relative Fahrtüchtigkeit festgestellt werden. Hierbei hat der Richter eine umfassende Würdigung aller Beweisanzeichen vorzunehmen.
Konkret untersucht der Richter dabei, ob der Fahrfehler dem Täter ohne alkoholische Beeinträchtigung nicht unterlaufen wäre. Ein Beispiel wäre etwa das Geradeausfahren in einer Kurve.
Darüber hinaus prüft der Richter zu einen die Tatsache, dass der Täter vor der Polizei flüchten wollte als auch die Art der Flucht, d.h. ob der Täter deutlich unsicher, waghalsig und fehlerhaft fuhr. Dies sind Indikatoren für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
Schließlich kann eine Fahruntüchtigkeit auch im Verhalten vor oder nach der Tat, insbesondere bei der Kontrolle festgestellt werden. Anzeichen hierfür sind etwa Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie beispielsweise Stolpern oder Schwanken beim Gehen sowie eine lallende oder verwaschene Sprechweise.
Selbstverständlich ist der Richter bei der Würdigung der Gesamtumstände auf die Aussagen und Dokumentation der Zeugen (kontrollierenden Polizisten) angewiesen.
(Urteil des Bayrischen Oberlandesgericht vom 13.02.2023 – 203 StRR 455/22)
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Der Kläger buchte bei einem Reisebüro für elf Personen eine „Fahrt ins Blaue“ zu einem Preis von insgesamt 2.138 Euro. Die gebuchte Busreise samt Hotelübernachtungen sollte vom 13. bis 15. März 2020 stattfinden. Reiseziel und Reiseprogramm waren den Teilnehmern vor Antritt der Reise nicht bekannt. Zu Beginn der Reise wurde den Reisenden eine Reiseprogramm ausgehändigt. Es ging vom Emsland aus nach Hamburg. Dort waren eine Museumsausführung und eine große Hafenrundfahrt geplant. Als Höhepunkt wurde ein Musical-Besuch angekündigt. Am Nachmittag nach Beginn der Fahrt wurde der Gruppe mitgeteilt, dass letzterer Programmpunkt – der Musical-Besuch, der den Höhepunkt der „Fahrt ins Blaue“ darstellen sollte – wegen der Corona-Pandemie ausfallen müsse. Stattdessen wurde kurzfristig eine dreistündige Stadtrundfahrt organisiert.
Wegen mangelhafter Reise begehrte der Kläger für sich und die zehn weiteren Reisenden von der Reiseveranstalterin eine Preisminderung von insgesamt 715 Euro (65 Euro pro Teilnehmer).
Das Amtsgericht Lingen (Ems) hat die Klage des Klägers zunächst abgewiesen. Im Berufungsverfahren (LG Osnabrück) hatte der Kläger dagegen teilweise Erfolg. Der Reiseveranstalter wurde zur Zahlung von 320 Euro verpflichtet. Nach Ansicht des Landgerichts stelle der Ausfall des geplanten Musicalbesuchs einen Reisemangel dar, der zur Minderung von 15% berechtige. Er sei mit der Durchführung der Stadtrundfahrt nicht behoben worden. Eine Austauschbarkeit dieser Programmpunkte könne nicht angenommen werden, da eine Stadtrundfahrt gegenüber einem Musicalbesuch nicht gleichartig sei. Nach Konkretisierung der Reise stelle er einen Hauptprogrammpunkt dar. Dagegen wandte sich der Beklagte im Revisionsverfahren beim BGH und unterlag.
Der BGH (Urteil vom 14.02.2023 – X ZR 18/22) stimmte den Ausführungen des Landgerichts zu. Zwar habe dem Veranstalter gemäß § 315 Abs. 1 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht zugestanden. Durch Aushändigung des Reiseprogramms sei der Leistungsinhalt unwiderruflich nach §243 Abs. 1 BGB konkretisiert worden. Nichts habe darauf hingewiesen, dass das Programm vorläufigen Charakter habe und einzelne Punkte noch austauschbar gewesen wären. Dem Urteil zufolge sei der Wegfall des Musical-Besuchs ein Reisemangel, der eine Minderung des Reisespreises nach §651m Abs. 2 Satz 1 BGB rechtfertige. Eine Stadtrundfahrt sei kein gleichwertiges Äquivalent zum Musical-Besuchs, zumal das Musical vom Reiseveranstalter ausdrücklich als Höhepunkt der Reise bezeichnet worden sei.
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