Fik­tive Scha­dens­be­rech­nung im Miet­recht

Ist es einem Ver­mie­ter gestat­tet, von sei­nem Mie­ter nach Been­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses fik­tive, d.h. geschätzte Kos­ten für die Besei­ti­gung von Schä­den am Miet­ob­jekt und für unter­las­sene Schön­heits­re­pa­ra­tu­ren, als auch für Rück­bau­ten erstat­tet zu erhal­ten?

Rege­lung im Bau– und Werk­ver­trags­recht

Der VII. Senat lehnte im Bau– und Werk­ver­trags­recht die Erstat­tung von fik­tiv berech­ne­ten Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten ab. Einer fik­ti­ven Scha­dens­be­rech­nung läge kein Ver­mö­gens­scha­den zugrunde, die für eine Gel­tend­ma­chung erfor­der­lich sei. Ebenso bestehe bei einer Kom­pen­sa­tion von geschätz­ten Kos­ten die Gefahr einer Über­kom­pen­sa­tion und damit einer unge­recht­fer­tig­ten Berei­che­rung des Bestel­lers. Doch ist diese Recht­spre­chung ebenso auf das Miet­recht anwend­bar?

Zum Sach­ver­halt

Der kla­gende Ver­mie­ter ver­langte vom beklag­ten Mie­ter die Erstat­tung eines von ihm ein­ge­hol­ten Kos­ten­vor­schus­ses über 8.425 EUR für geplante Schön­heits­re­pa­ra­tu­ren, als auch Scha­dens­er­satz in Höhe von 881 EUR. Die Beträge setz­ten sich wie folgt zusam­men: Die Beklagte hatte die Woh­nung nach Ende des Miet­ver­tra­ges 2 Tage zu spät her­aus­ge­ge­ben. Der Auf­for­de­rung Schön­heits­re­pa­ra­tu­ren wie bei­spiels­weise die Erneue­rung der Wand­flie­sen in der Küche durch­zu­füh­ren kam die Beklagte nicht nach, wor­auf­hin der Klä­ger einen Kos­ten­vor­an­schlag für einige Schön­heits­re­pa­ra­tu­ren ein­holte. Einige Repa­ra­tu­ren führte er zum Teil selbst aus. Die Kos­ten ver­langte er von der Mie­te­rin zu erstat­ten.

AG und LG leh­nen Ansprü­che ab

Das AG Lüden­scheid, als auch das LG Hagen lehn­ten einen Anspruch des Klä­gers ab. Es gebe kei­nen Anspruch im Miet­recht aus dem der Kos­ten­vor­schuss­an­spruch von 8.425 EUR gel­tend gemacht wer­den kann. Ebenso gebe es kei­nen Anspruch auf Gel­tend­ma­chung des Scha­dens­er­sat­zes in Höhe von 881 EUR. Die Recht­spre­chung aus dem Bau– und Werk­ver­trags­recht sei daher auf das Miet­recht über­trag­bar.

Laut BGH: Fik­tive Berech­nung ist mög­lich

Der VIII. Zivil­se­nat prüfte, ob ein Ver­mie­ter geschätzte und vor­aus­sicht­lich anfal­lende Kos­ten erstat­tet ver­lan­gen darf. Das Urteil des LG wurde auf­ge­ho­ben: Eine Fik­tive Scha­dens­be­rech­nung ist im Miet­recht zuläs­sig. Eine Gefahr der Über­kom­pen­sa­tion und damit einer unge­recht­fer­tig­ten Berei­che­rung besteht im Miet­recht nicht, da dem Geschä­dig­ten nur die Erstat­tung der zur Erfül­lung der Leis­tungs­pflicht erfor­der­li­chen Kos­ten gestat­tet ist. Ebenso gewährt der Grund­satz von Treu und Glau­ben eine Inhalts­be­gren­zung, die eine Über­kom­pen­sa­tion ver­hin­dert.

Arbeit­neh­mer muss Pro­vi­sion für Per­so­nal­ver­mitt­lung nicht erstat­ten

Hin­ter­grund

Ein Head­hun­ter ist eine Per­son oder ein Unter­neh­men, das im Auf­trag von Unter­neh­men nach qua­li­fi­zier­ten Fach– und Füh­rungs­kräf­ten für bestimmte Posi­tio­nen sucht. Hier­für erhal­ten sie eine Pro­vi­sion für jede erfolg­rei­che Ver­mitt­lung von Arbeit­neh­mer an Arbeit­ge­ber. Gezahlt wird diese nor­ma­ler­weise durch den Arbeit­ge­ber – in der Aus­sicht, dass der Arbeit­neh­mer län­ger bleibt.

 

Sach­ver­halt

Nach­dem ein Head­hun­ter erfolg­reich ver­mit­telt hat, schlos­sen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer Ende März 2021 einen Arbeits­ver­trag, auf des­sen Grund­lage der kla­gende Arbeit­neh­mer ab dem 01.05.2021 bei der beklag­ten Arbeit­ge­be­rin tätig wurde. Für die Ver­mitt­lung erhielt der Head­hun­ter rund 4.500 Euro. In dem Arbeits­ver­trag hielt der Arbeit­ge­ber fest, dass er einen Teil der gezahl­ten Ver­mitt­ler­pro­vi­sion vom Arbeit­neh­mer zurück­ver­lan­gen könne, sofern das Arbeits­ver­hält­nis nicht über den 30.06.2022 (d.h. nicht über 14 Monate) hin­aus fort­be­ste­hen sollte. Bereits nach zwei Monate hatte der Arbeit­neh­mer den Arbeits­ver­trag frist­ge­recht gekün­digt. Anschlie­ßend behielt die Beklagte hin­sicht­lich der „geschul­de­ten“ Pro­vi­si­ons­er­stat­tung einen Teil­be­trag von 800 Euro vom Gehalt des Arbeit­neh­mers ein. Hier­ge­gen klagte der Arbeit­neh­mer und for­derte die Zah­lung des ein­be­hal­te­nen Ver­gü­tungs­be­trags. Er behaup­tete, die Erstat­tungs­re­ge­lung sei unwirk­sam, weil sie ihn unan­ge­mes­sen benach­tei­ligte. Die Beklagte hin­ge­gen wand ein berech­tig­tes Inter­esse an der Pro­vi­sion ein.

Abwäl­zung ver­stößt gegen Treu und Glau­ben

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt stimmte der Ansicht des Arbeit­neh­mers zu (BAG, Urteil vom 20.06.2023 – 1 AZR 265/​22). Nach Auf­fas­sung der Rich­ter in Erfurt benach­tei­lige die Pro­vi­si­ons­re­ge­lung den Klä­ger ent­ge­gen den Gebo­ten von Treu und Glau­ben unan­ge­mes­sen und sei daher nach §307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirk­sam. Der Klä­ger werde hier­durch in sei­nem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grund­ge­setz garan­tier­ten Recht auf freie Wahl des Arbeits­plat­zes beein­träch­tigt, ohne dass dies durch begrün­de­tes Inter­es­sen der Beklag­ten gerecht­fer­tigt wäre. Der Arbeit­ge­ber habe grund­sätz­lich das unter­neh­me­ri­sche Risiko dafür zu tra­gen, dass sich von ihm getä­tigte finan­zi­elle Auf­wen­dun­gen für die Per­so­nal­be­schaf­fung nicht „loh­nen“, weil der Arbeit­neh­mer sein Arbeits­ver­hält­nis in recht­lich zuläs­si­ger Weise beende. Es bestehe des­halb kein bil­li­gens­wer­tes Inter­esse der Beklag­ten, sol­che Kos­ten auf den Klä­ger zu über­tra­gen. Der Klä­ger erhalte auch kei­nen Vor­teil, der die Beein­träch­ti­gung sei­ner Arbeits­platz­wahl aus­glei­chen könnte.

 

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Gibt es eine Hal­ter­haf­tung beim E-​​Scooter?

Sach­ver­halt:

E-​​Scooter sind prak­tisch, schnell und – umstrit­ten. Wäh­rend sie ins­be­son­dere in der jün­ge­ren Alters­gruppe auf all­ge­meine Beliebt­heit sto­ßen, ste­hen ihnen gerade ältere Men­schen kri­tisch gegen­über. Gründe sind unter ande­rem, dass sie den öffent­li­chen Raum blo­ckie­ren, dass man­che Fah­re­rin­nen und Fah­rer ver­bo­te­ner­weise auf dem Geh­weg unter­wegs sind oder das sorg­lose Par­ken auf Geh­we­gen. Zumin­dest letz­te­res könnte sich in Zukunft ändern. Wird ein E-​​Scooter auf dem Geh­weg so abge­stellt, dass er andere Ver­kehrs­teil­neh­mer behin­dert und gefähr­det, liegt ein buß­geld­be­währ­ter Ver­stoß gegen das all­ge­meine Rück­sicht­nah­me­ge­bot vor. Zwar wird vor Erlass des Buß­geld­be­scheids der Ver­mie­ter des Scoo­ters zur Per­son des Fahr­zeug­füh­rers ange­hört, kann er jedoch keine Anga­ben zur Per­son machen, erhält er den Hal­ter­kos­ten­be­scheid. Schließ­lich seien E-​​Scooter –Ver­mie­ter letzt­end­lich auch Hal­ter eines Kraft­fahr­zeugs. Es kann ange­nom­men wer­den, dass zukünf­tig die Daten der Fah­rer bei jeder Fahrt im Sys­tem des Scooter-​​Vermieters hin­ter­legt wer­den, sodass im Falle eines Buß­geld­be­scheids der Fah­rer ermit­telt wer­den kann. Dies dürfte das sorg­lose Par­ken auf den Geh­we­gen ein­däm­men.

Amts­ge­richt Hamburg-​​Altona, Beschluss vom 23.01.2023 – 327b OWi 1/​23

Aus­gleichs­zah­lung bei Flug­ver­spä­tung auch für Start oder Lan­dung nicht in der EU

Nach dem Abitur haben viele Abitu­ri­en­tin­nen und Abitu­ri­en­ten den Wunsch zu rei­sen. Man­che wol­len in einem Work and Tra­vel Jahr in Neu­see­land Schafe sche­ren, andere wie­derum unter­stüt­zen soziale Pro­jekte in Süd­ame­rika. Ob Neu­see­land, Aus­tra­lien oder Peru – ohne Anschluss­flug erreicht man diese Ziele nicht. In einem neu ergan­ge­nen Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs vom 09.05.2023 (Akten­zei­chen: X ZR 15/​20) hat die­ses die Flug­gast­rechte bei ver­spä­te­ten Anschluss­flü­gen gestärkt.

Sach­ver­halt – Vier Stun­den Ver­spä­tung in Kan­sas City

Eine Frau buchte über ein Rei­se­büro für den 25. Juli 2018 einen Flug mit der Flug­ge­sell­schaft Swiss von Stutt­gart nach Zürich und Flüge mit der Beklag­ten von Zürich nach Phil­adel­phia und von Phil­adel­phia nach Kan­sas City. Der erste und zweite Flug wurde plan­mä­ßig durch­ge­führt. Auf der letz­ten Teil­stre­cke star­tete der Flug ver­spä­tet. Die Frau erreichte Kan­sas City mit einer Ver­spä­tung von mehr als vier Stun­den. Anschlie­ßend for­derte sie Aus­gleichs­zah­lun­gen in Höhe von 600,00  Euro. Gestützt hat sie sich auf Art. 5 Abs. 1 lit. c in Ver­bin­dung mit Art. 7 Abs. 1 lit. c der EU– Flug­gast­rech­te­ver­ord­nung. Sowohl das Amts­ge­richt Nür­tin­gen als auch das Land­ge­richt Stutt­gart lehn­ten dies ab und begrün­de­ten das mit der Nicht­an­wend­bar­keit der Ver­ord­nung.

Buchung der drei Teil­flüge als Gesamt­heit

Der Bun­des­ge­richts­hof zog den Euro­päi­schen Gerichts­hof zurate und ent­schied nun nach des­sen Vor­ab­ent­schei­dung, die Ver­ord­nung für anwend­bar. Nach der Recht­spre­chung der Euro­päi­schen Union sei die Anwend­bar­keit der Flug­gast­rech­te­ver­ord­nung bei einem Flug mit direk­ten Anschluss­flüge unter Berück­sich­ti­gung des ers­ten Abflug­or­tes und des End­ziels zu beur­tei­len, wenn der Flug als eine Gesamt­heit anzu­se­hen sei. Das Rei­se­büro habe eine Rech­nung zu einem „Ver­mitt­lungs­auf­trag“ erteilt, die für die hier inter­es­sie­ren­den Flüge sowie für den Rück­flug einen ein­heit­li­chen „Teil­neh­mer­preis“ aus­weise. Aus der Rech­nung ergebe sich fer­ner, dass das Rei­se­büro für die Flüge ein ein­heit­li­ches Ticket aus­ge­ge­ben habe, des­sen Num­mern auch auf den Board­kar­ten für die drei inter­es­sie­ren­den Flüge wie­der­ge­ge­ben sei. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der BGH abge­lei­tet, dass die drei Teil­flüge als Gesamt­heit mit Abflug­ort in Deutsch­land zu betrach­ten seien. Dem­nach stehe ihr eine Aus­gleichs­zah­lung in Höhe von 600 Euro zu.

Fazit

Wer eine mit Umstie­gen ver­bun­dene Flug­reise in einem EU-​​Land star­tet, hat bei Ver­spä­tung auch dann Anspruch auf eine Aus­gleichs­zah­lung, wenn diese erst bei einem spä­te­ren Teil­flug jen­seits der EU auf­tritt. Dabei spielt es keine Rolle, ob direkte Anschluss­flüge von unter­schied­li­chen, nicht durch eine beson­dere recht­li­che Bezie­hung mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Air­lines durch­ge­führt wer­den.

 

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Mit­tei­lungs­pflich­ten beim vor­be­rei­ten­den straf­recht­li­chen Deal

Sach­ver­halt – Nach Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­chen Ver­fah­ren aus­ge­setzt

Zwei mut­maß­li­che Täter wur­den wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung (in 20 Fäl­len) und Vor­ent­hal­ten sowie Ver­un­treu­ens von Arbeits­ent­gelt (in 24 Fäl­len) ange­klagt. Außer­halb des Haupt­ver­fah­rens über­leg­ten die Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten, ob man sich ver­stän­di­gen könne. Über den Inhalt des Gesprächs erstellte der Vor­sit­zende der Straf­kam­mer einen Ver­merk. In der Haupt­ver­hand­lung schlug das Land­ge­richt am ers­ten Ver­hand­lungs­tag eine Ver­fah­rens­ab­spra­che vor, wonach gegen ein Geständ­nis der Ange­klag­ten Stra­fen im bewäh­rungs­fä­hi­gen Bereich zu erwar­ten seien (sog. „Deal“). Nach ord­nungs­ge­mä­ßer Beleh­rung wurde die Ver­hand­lung ver­tagt, um den Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten Bedenk­zeit zu geben. Wegen Erkran­kung des Vor­sit­zen­den Rich­ters musste das Ver­fah­ren aus­ge­setzt wer­den. Der neue Vor­sit­zende erklärte in der Haupt­ver­hand­lung, es habe keine Ver­stän­di­gung gege­ben und – falls es frü­her Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che gege­ben habe – bestehe für die Betei­lig­ten keine Bin­dungs­wir­kung. Inhalt der Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che trug der Vor­sit­zende nicht vor. Anschlie­ßend wur­den die Ange­klag­ten zu einer Gesamt­frei­heits­strafe ver­ur­teilt und die Ein­zie­hung von rund 96.000€ ange­ord­net. Hier­ge­ge­ben erho­ben die zwei Ver­ur­teil­ten Revi­sion vor dem BGH unter Beru­fung auf Ver­let­zung der Mit­tei­lungs­pflicht (Beschluss vom 4.04.2023 – 1 StR 455/​22).

 

Hin­weis:

Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che im Straf­ver­fah­ren sind Ver­hand­lun­gen zwi­schen der Staats­an­walt­schaft, dem Gericht und dem Ange­klag­ten (oder sei­nem Ver­tei­di­ger) um eine mög­li­che Eini­gung in einem Straf­ver­fah­ren zu erzie­len. Sie die­nen dem Zweck, das Ver­fah­ren zu beschleu­ni­gen, Kos­ten zu redu­zie­ren und eine gericht­li­che Ent­schei­dung zu ver­mei­den. Wäh­rend sol­cher Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che kön­nen ver­schie­dene Aspekte des Ver­fah­rens ver­han­delt wer­den, wie bei­spiel­haft die Frage nach der Schuld des Ange­klag­ten oder die Höhe der Strafe. In der Regel geht es darum, eine Ver­ein­ba­rung zu tref­fen, bei der der Ange­klagte im Gegen­zug für ein Geständ­nis oder ande­rer Zuge­ständ­nisse eine mil­dere Strafe erhält.

Eine Ver­fah­rens­be­an­stan­dung der Ver­let­zung der Mit­tei­lungs­pflicht bezieht sich auf den Vor­wurf, dass im Rah­men eines gericht­li­chen Ver­fah­rens eine Mit­tei­lungs­pflicht ver­letzt wurde. Wenn eine Par­tei (hier: die Ange­klag­ten) der Ansicht ist, dass eine sol­che Mit­tei­lungs­pflicht nicht erfüllt wurde, kann sie eine Ver­fah­rens­be­an­stan­dung erhe­ben. Das bedeu­tet, dass die Par­tei das Gericht dar­auf auf­merk­sam macht, dass sie der Mei­nung ist, dass ihre Rechte ver­letzt wur­den, weil ihr bestimmte Infor­ma­tio­nen (z.B. eine Eini­gung zwi­schen Ange­klag­ten und Staats­an­walt­schaft) nicht recht­zei­tig oder gar nicht mit­ge­teilt wur­den.

Ver­let­zung der Mit­tei­lungs­pflicht

Das Gericht gab die Revi­sion statt. Indem der (neue) Vor­sit­zende den Inhalt der Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che in der Haupt­ver­hand­lung nicht mit­ge­teilt habe, habe er gegen die Mit­tei­lungs­pflicht ver­sto­ßen. Ein Hin­weis auf frü­here Gesprä­che genüge nicht, auch wenn das Ver­fah­ren aus­ge­setzt war. Sinn und Zweck der Mit­tei­lungs­pflicht sei es, die Ange­klag­ten und die Öffent­lich­keit von allen ver­stän­di­gungs­be­zo­ge­nen Erör­te­run­gen zu infor­mie­ren. Die­ser Sinn und Zweck könne nicht von der Beset­zung des Gerichts abhän­gig gemacht wer­den.

Revi­sion gegen Ein­zie­hungs­ent­schei­dung unbe­grün­det

Die Revi­sion der Ein­zie­hungs­be­tei­lig­ten hat der BGH als unbe­grün­det zurück­ge­wie­sen. Die Ver­fah­rensrüge richte sich aus­schließ­lich gegen das Zustan­de­kom­men der Schuld­sprü­che gegen­über den Ange­klag­ten und könne nicht Teil von Ver­fah­rens­ab­spra­chen sein.

 

Hin­weis:

Eine Ein­zie­hungs­ent­schei­dung ist eine gericht­li­che Anord­nung, bei der Ver­mö­gens­werte oder Gegen­stände, die im Zusam­men­hang mit einer Straf­tat erlangt wur­den (z.B. Dieb­stahl oder Steu­er­hin­ter­zie­hung) ein­ge­zo­gen wer­den. Die Ein­zie­hung dient dazu, unrecht­mä­ßig erlang­tes Ver­mö­gen oder Gegen­stände dem Täter zu ent­zie­hen und sie für staat­li­che Zwe­cke zu nut­zen oder zu ver­wer­ten. Die Ein­zie­hung von Ver­mö­gens­wer­ten dient ver­schie­de­nen Zwe­cken, wie bei­spiels­weise der Ent­schä­di­gung von Opfern, der Abschre­ckung von Straf­ta­ten und der Ver­hin­de­rung der Wie­der­ho­lung straf­ba­rer Hand­lun­gen.

 

Die Ent­schei­dung wird an das Gericht zurück­ver­wie­sen. Die­ses muss sich an den Inhalt des vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­stän­di­gungs­ge­sprächs hal­ten. Dem­zu­folge haben die Ange­klag­ten keine Frei­heits­strafe, son­dern eine Straf­aus­set­zung auf Bewäh­rung zu erwar­ten. Die rund 96.000 Euro wer­den den­noch ein­ge­zo­gen.

Datums­ver­merk als zwin­gende Vor­aus­set­zung einer Zustel­lung

Sach­ver­halt:

Ein Strom­ver­sor­ger klagte gegen einen Kun­den auf Erstat­tung von Strom­kos­ten. Der Beklagte wurde im Zuge eines Ver­säum­nis­ur­teils im schrift­li­chen Vor­ver­fah­ren antrags­ge­mäß ver­ur­teilt. Zuge­stellt wurde dem Beklag­ten das Urteil am 7.10.2021 durch Ein­le­gen in den zur Woh­nung gehö­ren­den Brief­kas­ten. Am 22.10.2021 (d.h. 15 Tage spä­ter) erhob der Beklagte Ein­spruch gegen das Urteil. Auf Hin­wei­sung der zwei­wö­chi­gen Ein­spruchs­frist (i.d.R. 14 Tage), behaup­tete der Beklagte, den Brief erst am 8.10.2021 aus dem Brief­kas­ten ent­nom­men zu haben. Auf dem Umschlag sei das Zustel­lungs­da­tum nicht ver­merkt gewe­sen, so der Beklage.

BGH wider­spricht dem Amts– und Land­ge­richt

Ent­ge­gen der Ansicht des Amts­ge­richts und des Land­ge­richts ent­schied der VIII. Zivil­se­nat des BGH (Urteil vom 15.03.2023 – VIII ZR 99/​22), dass ein Ver­merk des Datums der Zustel­lung auf den Umschlag eine zwin­gende Ver­pflich­tung des Zustel­lers sei. Dem­nach führe der feh­lende Ver­merk über das Zustel­lungs­da­tum auf dem Umschlag zur Unwirk­sam­keit der Zustel­lung. Den Klä­ger treffe die Dar­le­gungs– und Beweis­last für eine noch am 7.10.2021 erfolgte tat­säch­li­che Kennt­nis­nahme des Beklag­ten. Kann der kla­gende Strom­ver­sor­ger bewei­sen, dass auf dem Brief­um­schlag das Datum ver­merkt war, ist der Ein­spruch des Beklag­ten ver­fris­tet und folg­lich unzu­läs­sig. Kann der Klä­ger hin­ge­gen den Datums­ver­merk nicht bewei­sen, ist der Ein­spruch nicht ver­fris­tet und dem­zu­folge zuläs­sig. Nichts­des­to­trotz kann der Ein­spruch unbe­grün­det sein mit der Folge, dass der Beklagte den­noch zur Zah­lung der Strom­kos­ten ver­ur­teilt wird.

 

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Klein­kind star­tet Auto – Mut­ter haf­tet

Das OLG Olden­burg hat in einem Urteil vom 20.04.2023 ent­schie­den:

Mut­ter ver­letzt ihre Auf­sicht­sp­licht, wenn sie ihr 2 ½ jäh­ri­ges Kind alleine und nicht ange­schnallt im Auto zurück­lässt – Sie haf­tet dafür, dass er das Auto star­tet und eine dritte Per­son hier­durch ver­letzt wird.

Zum Sach­ver­halt

Die beklagte Kinds­mut­ter setzte ihren Sohn nach einer Fami­li­en­feier in den Kin­der­sitz auf dem Bei­fah­rer­sitz ihres Autos. Ohne ihn anzu­schnal­len ging sie noch ein­mal für ein bis maxi­mal zwei­mi­nü­tig ins Haus zurück. Die Auto­schlüs­sel ließ sie auf dem Arma­tu­ren­brett des Autos lie­gen. In der Abwe­sen­heit der Mut­ter krab­belte der Junge vom Kin­der­sitz zum Auto­schlüs­sel und star­tete das Auto. Der Wagen machte einen Satz nach vorne wodurch die Groß­mut­ter des Kin­des, die ca. 1,5m ent­fernt vom Auto auf einer Bank saß schwer ver­letzt wurde.

 

Kran­ken­kasse ver­klagt Kinds­mut­ter

Die Kran­ken­kasse der Groß­mut­ter ver­klagte die Kinds­mut­ter. Sie habe ihre Auf­sicht­sp­licht gemäß §§1631 Abs.1, 823 Abs.1 S.1 BGB ver­letzt. Das Land­ge­richt Osna­brück gab der beklag­ten Kinds­mut­ter recht und wies die Klage ab. Die Mut­ter hätte nicht mit dem Gesche­hens­ab­lauf rech­nen müs­sen. Es liege außer­halb der all­ge­mei­nen Lebens­er­fah­rung, dass ein Klein­kind von 2 ½ Jah­ren inner­halb von ein, zwei Minu­ten nach Auto­schlüs­seln greift und das Auto star­tet.

Ent­schei­dung des OLG

Die Kran­ken­kasse legte gegen die Ent­schei­dung des Land­ge­richts Osna­brück Beru­fung ein – mit Erfolg. Das OLG Olden­burg gibt der kla­gen­den Kran­ken­kasse recht. Die Mut­ter hat ihre Auf­sichts­pflicht ver­letzt, indem sie ihren 2 ½ jäh­ri­gen Sohn alleine, nicht ange­schnallt und mit den Auto­schlüs­seln im Auto zurück­ließ. Hier­durch schuf sie eine nicht nur uner­heb­li­che Gefahr. Die sich rea­li­sierte Gefahr liegt nicht außer­halb der Lebens­er­fah­rung. Ein Klein­kind ahmt Ver­hal­tens­wei­sen Erwach­se­ner im All­ge­mei­nen nach und im Krab­bel­al­ter wird erfah­rungs­ge­mäß nach Schlüs­seln gegrif­fen und ver­sucht diese in Schlös­ser hin­ein­zu­ste­cken.

Ihre Auf­sichts­pflicht hätte es gebo­ten die Schlüs­sel mit­zu­neh­men, das Kind anzu­schnal­len oder jeman­den zu bit­ten sich für die Zeit, in der sie in der Woh­nung war, auf das Kind auf­zu­pas­sen. Den ent­stan­de­nen Scha­den muss die Kinds­mut­ter tra­gen. Der genaue Scha­dens­be­trag wird noch ermit­telt.

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Kün­di­gung wegen Zah­lungs­ver­zugs auch bei lang­jäh­ri­ger pünkt­li­cher Miet­zah­lung nicht rechts­miss­bräuch­lich

Sach­ver­halt

Ange­sichts der Hand­lun­gen Russ­lands, die die Lage in der Ukraine desta­bi­li­sie­ren, wurde es einem bestimm­ten Sen­der ver­bo­ten, ein bestimm­tes Pro­gramm zu sen­den oder des­sen Sen­dung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu ermög­li­chen. Der Sen­der war zugleich Mie­ter und Beklag­ter von Gewer­be­räu­men gewe­sen. Obwohl der Mie­ter über etli­che Jahre die Miete anstands­los zahlte, stoppte er die Miet­zah­lung plötz­lich für zwei auf­ein­an­der­fol­gende Monate. Dar­auf­hin wurde das Miet­ver­hält­nis vom Ver­mie­ter (zugleich Klä­ger) frist­los und ordent­lich gekün­digt. Die Beklagte wen­det sich gegen die Kün­di­gung und behaup­tet sie sei wegen Zah­lungs­ver­zugs rechts­miss­bräuch­lich, weil der Mie­ter wäh­rend der acht­jäh­ri­gen Miet­zeit bean­stan­dungs­frei gezahlt habe. Der Ver­mie­ter hätte erken­nen müs­sen, dass kein Fall von Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Zah­lungs­un­wil­lig­keit, son­dern ein Ver­se­hen vor­ge­le­gen habe.

 

Ent­schei­dung

Bei einer Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses eines Wohn­raums ist eine vor­he­rige Abmah­nung erfor­der­lich. Vor­lie­gend han­delt es sich bei Miet­ob­jekt nicht um einen Wohn­raum, son­dern um Gewer­be­räume. Eine vor­an­ge­schal­tete Abmah­nung ist daher ent­behr­lich. Den­noch kann auch bei Gewer­be­räu­men eine vor­an­ge­schal­tete Abmah­nung aus­nahms­weise nach Treu und Glau­ben gebo­ten sein. Vor­aus­set­zung ist, dass sich dem Ver­mie­ter die Erkennt­nis auf­drän­gen muss, dass der Zah­lungs­rück­stand nicht auf Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder –unwil­lig­keit des Mie­ters beruht, son­dern auf einem gering­fü­gi­gen Ver­se­hen oder sons­ti­gen von ihm nicht zu ver­tre­ten­den Umstand. Auf diese nach Treu und Glau­ben gebo­tene Abmah­nung stützt sich der Beklagte. Schließ­lich habe der Mie­ter Mil­lio­nen­bei­träge in das Pro­jekt und Umbau­maß­nah­men inves­tiert, die auf keine Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder –unwil­lig­keit hin­deu­ten.

Jedoch habe es laut Gericht der Klä­ger für mög­lich hal­ten kön­nen, dass die Ein­stel­lung der Miet­zah­lung im Zusam­men­hang mit dem Sen­de­ver­bot stand. Für ihn sei nicht aus­zu­schlie­ßen gewe­sen, dass die Miet­zah­lung aus Zah­lungs­un­wil­lig­keit aus­ge­blie­ben war und wei­ter aus­blei­ben werde. Auch die Tat­sa­che, dass der Mie­ter Mil­lio­nen­bei­träge in das Pro­jekt und Umbau­maß­nah­men inves­tiert hat, wider­legt eine Ver­mu­tung nicht. Das Gericht stellt klar, dass allein eine lang­jäh­rige ver­trau­ens­volle Zusam­men­ar­beit in der Ver­gan­gen­heit durch pünkt­li­che Miet­zah­lung eine Kün­di­gung wegen Zah­lungs­ver­zugs nicht rechts­miss­bräuch­lich mache.

An eine Kün­di­gung wer­den gleich­wohl höhere materiell-​​rechtliche Anfor­de­run­gen gestellt, wenn der Beklagte durch diese in sei­ner Exis­tenz gefähr­det wird. Der Beklagte konnte eine sol­che Gefähr­dung nicht schlüs­sig dar­le­gen, weil es seine wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nisse nicht kon­kret erken­nen ließ.

Des­halb hat das Gericht (Kam­mer­ge­richt, Beschluss vom 16.03.2023 – 8 U 178/​22) den Mie­ter auf­grund einer frist­lo­sen Kün­di­gung der kla­gen­den Ver­mie­te­rin wegen Zah­lungs­ver­zugs zur Räu­mung und Her­aus­gabe von Gewer­be­flä­chen ver­ur­teilt. Das Recht zur Kün­di­gung ergibt aus der dem Zah­lungs­ver­zug mit den Mie­ten für die Monate Mai und Juni 2022.

 

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Annahme rela­ti­ver Fahr­un­tüch­tig­keit ohne Fest­stel­lung der Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­tion

Unter­schei­dung rela­tive und abso­lute Fahr­un­tüch­tig­keit

Wer im Ver­kehr ein Fahr­zeug führt, obwohl er infolge des Genus­ses alko­ho­li­scher Getränke oder ande­rer berau­schen­der Mit­tel nicht in der Lage ist, das Fahr­zeug sicher zu füh­ren, ist gemäß §316 Straf­ge­setz­buch (StGB) straf­bar.

Hier­bei muss zunächst zwi­schen der abso­lu­ten und der rela­ti­ven Fahr­un­tüch­tig­keit unter­schie­den wer­den. Eine abso­lute Fahr­un­tüch­tig­keit infolge Alko­hol­ge­nus­ses liegt bei einem Blut­al­ko­hol­ge­halt von 1,1‰ vor. Hier­bei ist die Fahr­weise uner­heb­lich. Das bedeu­tet, dass selbst ein erfah­re­ner Trin­ker, der sich noch bei Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­tion von 1,1 Pro­mille voll­kom­men unter Kon­trolle hat, abso­lut fahr­un­tüch­tig ist. Eine rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit infolge Alko­hol­ge­nus­ses liegt hin­ge­gen vor, wenn kon­krete Umstände der Tat erwei­sen, dass der Alko­hol­kon­sum zu einer Fahr­un­tüch­tig­keit geführt hat. Hier­für genügt, je nach Art und Umstän­den, bereits der Kon­sum klei­ner Men­gen Alko­hol.

Das bedeu­tet, dass sich die rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit von der abso­lu­ten nicht im Grad der Trun­ken­heit, son­dern allein hin­sicht­lich der Art und Weise, wie der Nach­weis der Fahr­un­tüch­tig­keit als psy­cho­phy­si­scher Zustand her­ab­ge­setz­ter Gesamt­leis­tungs­fä­hig­keit zu füh­ren ist.

 

Gesamt­wür­di­gung des Rich­ters ent­schei­det, ob rela­tive Fahr­un­tüch­tig­keit vor­lag

Ob jemand fahr­un­tüch­tig ist, wird meist mit­tels eines Atem­tests oder einer Blut­probe ermit­telt. Liegt ein sol­cher Test oder eine Probe nicht vor, schei­det die Annahme von alko­hol­be­ding­ter Fahr­un­si­cher­heit gleich­wohl nicht aus. Auch ohne eine die­ser Mög­lich­kei­ten kann eine alko­hol­be­dingte rela­tive Fahr­tüch­tig­keit fest­ge­stellt wer­den. Hier­bei hat der Rich­ter eine umfas­sende Wür­di­gung aller Beweis­an­zei­chen vor­zu­neh­men.

 

Bei der Wür­di­gung der Gesamt­um­stände beach­tet der Rich­ter ins­be­son­dere:

 

  • Die fest­ge­stellte Fahr­weise

Kon­kret unter­sucht der Rich­ter dabei, ob der Fahr­feh­ler dem Täter ohne alko­ho­li­sche Beein­träch­ti­gung nicht unter­lau­fen wäre. Ein Bei­spiel wäre etwa das Gera­de­aus­fah­ren in einer Kurve.

 

  • Flucht des Täters vor Poli­zei

Dar­über hin­aus prüft der Rich­ter zu einen die Tat­sa­che, dass der Täter vor der Poli­zei flüch­ten wollte als auch die Art der Flucht, d.h. ob der Täter deut­lich unsi­cher, wag­hal­sig und feh­ler­haft fuhr. Dies sind Indi­ka­to­ren für eine alko­hol­be­dingte Fahr­un­tüch­tig­keit.

 

  • Das Ver­hal­ten wäh­rend der Kon­trolle

Schließ­lich kann eine Fahr­un­tüch­tig­keit auch im Ver­hal­ten vor oder nach der Tat, ins­be­son­dere bei der Kon­trolle fest­ge­stellt wer­den. Anzei­chen hier­für sind etwa Beein­träch­ti­gun­gen der Kör­per­be­herr­schung wie bei­spiels­weise Stol­pern oder Schwan­ken beim Gehen sowie eine lal­lende oder ver­wa­schene Sprech­weise.

Selbst­ver­ständ­lich ist der Rich­ter bei der Wür­di­gung der Gesamt­um­stände auf die Aus­sa­gen und Doku­men­ta­tion der Zeu­gen (kon­trol­lie­ren­den Poli­zis­ten) ange­wie­sen.

(Urteil des Bay­ri­schen Ober­lan­des­ge­richt vom 13.02.2023 – 203 StRR 455/​22)

 

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Aus­übung des Leis­tungs­be­stim­mungs­rechts bei einer „Fahrt ins Blaue“

Sach­ver­halt

Der Klä­ger buchte bei einem Rei­se­büro für elf Per­so­nen eine „Fahrt ins Blaue“ zu einem Preis von ins­ge­samt 2.138 Euro. Die gebuchte Bus­reise samt Hotel­über­nach­tun­gen sollte vom 13. bis 15. März 2020 statt­fin­den. Rei­se­ziel und Rei­se­pro­gramm waren den Teil­neh­mern vor Antritt der Reise nicht bekannt. Zu Beginn der Reise wurde den Rei­sen­den eine Rei­se­pro­gramm aus­ge­hän­digt. Es ging vom Ems­land aus nach Ham­burg. Dort waren eine Muse­ums­aus­füh­rung und eine große Hafen­rund­fahrt geplant. Als Höhe­punkt wurde ein Musical-​​Besuch ange­kün­digt. Am Nach­mit­tag nach Beginn der Fahrt wurde der Gruppe mit­ge­teilt, dass letz­te­rer Pro­gramm­punkt – der Musical-​​Besuch, der den Höhe­punkt der „Fahrt ins Blaue“ dar­stel­len sollte – wegen der Corona-​​Pandemie aus­fal­len müsse. Statt­des­sen wurde kurz­fris­tig eine drei­stün­dige Stadt­rund­fahrt orga­ni­siert.

Wegen man­gel­haf­ter Reise begehrte der Klä­ger für sich und die zehn wei­te­ren Rei­sen­den von der Rei­se­ver­an­stal­te­rin eine Preis­min­de­rung von ins­ge­samt 715 Euro (65 Euro pro Teil­neh­mer).

 

Land­ge­richt Osna­brück bejaht Rei­se­man­gel

Das Amts­ge­richt Lin­gen (Ems) hat die Klage des Klä­gers zunächst abge­wie­sen. Im Beru­fungs­ver­fah­ren (LG Osna­brück) hatte der Klä­ger dage­gen teil­weise Erfolg. Der Rei­se­ver­an­stal­ter wurde zur Zah­lung von 320 Euro ver­pflich­tet. Nach Ansicht des Land­ge­richts stelle der Aus­fall des geplan­ten Musi­cal­be­suchs einen Rei­se­man­gel dar, der zur Min­de­rung von 15% berech­tige. Er sei mit der Durch­füh­rung der Stadt­rund­fahrt nicht beho­ben wor­den. Eine Aus­tausch­bar­keit die­ser Pro­gramm­punkte könne nicht ange­nom­men wer­den, da eine Stadt­rund­fahrt gegen­über einem Musi­cal­be­such nicht gleich­ar­tig sei. Nach Kon­kre­ti­sie­rung der Reise stelle er einen Haupt­pro­gramm­punkt dar. Dage­gen wandte sich der Beklagte im Revi­si­ons­ver­fah­ren beim BGH und unter­lag.

 

Leis­tungs­be­stim­mungs­recht bei Rei­se­an­tritt aus­ge­übt

Der BGH (Urteil vom 14.02.2023 – X ZR 18/​22) stimmte den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts zu. Zwar habe dem Ver­an­stal­ter gemäß § 315 Abs. 1 BGB ein Leis­tungs­be­stim­mungs­recht zuge­stan­den. Durch Aus­hän­di­gung des Rei­se­pro­gramms sei der Leis­tungs­in­halt unwi­der­ruf­lich nach §243 Abs. 1 BGB kon­kre­ti­siert wor­den. Nichts habe dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Pro­gramm vor­läu­fi­gen Cha­rak­ter habe und ein­zelne Punkte noch aus­tausch­bar gewe­sen wären. Dem Urteil zufolge sei der Weg­fall des Musical-​​Besuchs ein Rei­se­man­gel, der eine Min­de­rung des Rei­se­s­prei­ses nach §651m Abs. 2 Satz 1 BGB recht­fer­tige. Eine Stadt­rund­fahrt sei kein gleich­wer­ti­ges Äqui­va­lent zum Musical-​​Besuchs, zumal das Musi­cal vom Rei­se­ver­an­stal­ter aus­drück­lich als Höhe­punkt der Reise bezeich­net wor­den sei.

Sie haben Fra­gen zu die­sem Thema oder sind selbst Mit­rei­sen­der einer nicht plan­mä­ßi­gen Reise gewe­sen? Unsere erfah­re­nen und kom­pe­ten­ten Rechts­an­wälte im Rei­se­recht bera­ten und unter­stüt­zen Sie gerne. Mel­den Sie sich bei uns ver­ein­ba­ren Sie einen Ter­min.