Corona-Schließungen: Müssen Mieter die volle Miete zahlen?

Müs­sen Mie­ter wäh­rend des Lock­downs die volle Miete zah­len? Foto: Adobe Stock/​ MB.Photostock

Mie­ter gewerb­lich genutz­ter Räume kön­nen nach einem Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs Anspruch auf eine Anpas­sung der Miete wäh­rend des Corona-​​Lockdowns haben. Sofern sämt­li­che Umstände des Ein­zel­falls berück­sich­tigt wer­den.

Hin­ter­grund: Geteilte Mei­nung der Gerichte der unte­ren Instan­zen

Viele gewerb­li­che Mie­ter stan­den vor der Frage, ob sie ihre Miete wäh­rend des Lock­downs wei­ter­zah­len muss­ten, da ihr Geschäft auf­grund einer behörd­li­chen Anord­nung geschlos­sen wurde.
Hierzu waren bis­her viele unter­schied­li­che Urteile ergan­gen. Die meis­ten Gerichte befan­den, es gebe kein Recht auf Miet­min­de­rung, da die Miet­sa­che an sich – also die Räum­lich­kei­ten – in Ord­nung sei. Die Maß­nah­men beruh­ten nicht auf der Beschaf­fen­heit, der Lage oder dem Zustand des Objekts, son­dern betra­fen nur den geschäft­li­chen Erfolg des Mie­ters (Ver­wen­dungs­ri­siko).
Andere Gerichte wie­derum urteil­ten, dass die Mie­ter die Miete min­dern dürf­ten, da die unvor­her­seh­bare flä­chen­de­ckende Schlie­ßung des Ein­zel­han­dels eine Stö­rung der Geschäfts­grund­lage313 BGB) dar­stellte. Damit ist gemeint, dass Mie­ter und Ver­mie­ter den Ver­trag nicht in die­ser Form geschlos­sen hät­ten, wenn ihnen zu der Zeit schon klar gewe­sen wäre, was die Zukunft bringt.

Ver­mu­tungs­re­gel Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB

Im Dezem­ber 2020 wurde die Ver­mu­tungs­re­gel (Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB) ein­ge­führt, wonach bei gewerb­lich genutz­ten Räum­lich­kei­ten, die wäh­rend der Pan­de­mie schlie­ßen muss­ten, § 313 Abs. 1 BGB zum Tra­gen kommt. Seit­dem müs­sen die Gerichte abwä­gen, für wen die Fol­gen einer Miet­min­de­rung eher zumut­bar sind: für Mie­ter oder Ver­mie­ter bzw. Päch­ter oder Ver­päch­ter.

Kon­kre­ter Fall: Kik

Die Beklei­dungs­kette Kik hatte sich im April 2020 unter Beru­fung auf einen mas­si­ven Umsatz­ein­bruch gewei­gert, für einen Laden in Chem­nitz die Monats­miete zu zah­len. In ers­ter Instanz wurde Kik zur Zah­lung ver­ur­teilt, das Gericht in zwei­ter Instanz (OLG Dres­den) ent­schied, dass nur die halbe Miete zu zah­len sei. Gegen die­ses Urteil leg­ten beide Par­teien Revi­sion beim Bun­des­ge­richts­hof ein, der nun ent­schie­den hat.

Ent­schei­dung des BGH

Am Mitt­woch, 12. Januar 2022, erging das Urteil des BGH (Az. XII ZR 8/​21): Die obers­ten Zivil­rich­te­rin­nen und –rich­ter in Karls­ruhe ver­tre­ten die Ansicht, dass Mie­ter gewerb­lich genutz­ter Räume Anspruch auf eine Anpas­sung der Miete haben. Es müss­ten aber immer „sämt­li­che Umstände des Ein­zel­falls“ berück­sich­tigt wer­den, wie es in der Begrün­dung heißt.
Dar­un­ter fal­len:

  • Umsatz­ein­bu­ßen für das kon­krete Objekt
  • staat­li­che Hil­fen
  • Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen

Beide Sei­ten, Mie­ter und Ver­mie­ter, seien durch die staat­li­chen Maß­nah­men, ins­be­son­dere den Lock­down, im Kampf gegen die Corona-​​Pandemie belas­tet, keine Seite trage allein Ver­ant­wor­tung. 50/​50– Auf­tei­lun­gen der Miete seien aber zu pau­schal. Das Urteil des OLG Dres­den wurde daher auf­ge­ho­ben und muss neu ver­han­delt wer­den.