Dieselskandal: Europäischer Gerichtshof erleichtert Schadensersatzklagen gegen Hersteller

Wer ein Auto mit unzu­läs­si­ger Abschalt­ein­rich­tung gekauft hat, hat nach dem Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) deut­lich bes­sere Chan­cen auf Scha­dens­er­satz. Auto­her­stel­ler kön­nen auch dann haf­ten, wenn sie ohne Betrugs­ab­sicht fahr­läs­sig gehan­delt haben. Das ent­schied der EuGH in Luxem­burg (Urteil vom 21.03.2023, AZ: C-​​199/​21) und ver­setzte damit den Auto­her­stel­lern einen emp­find­li­chen Schlag. Der BGH hatte bis­lang deut­lich indus­triefreund­li­cher geur­teilt.

Sach­ver­halt

Ein pri­va­ter Käu­fer hatte vor dem Land­ge­richt Ravens­burg gegen­über der Mercedes-​​Benz Group auf Scha­dens­er­satz geklagt. Der Scha­den soll dadurch ent­stan­den sein, dass Mer­ce­des das erwor­bene Diesel-​​Auto mit einer Soft­ware aus­ge­rüs­tet habe, mit der die Abgas­rück­füh­rung ver­rin­gert werde, wenn die Außen­tem­pe­ra­tu­ren unter einem bestimm­ten Schwel­len­wert liege (sog. Ther­mo­fens­ter). Abschalt­ein­rich­tung, die als Folge höhere Stickstoffoxid-​​Emissionen aus­sto­ßen, sind hin­sicht­lich leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen ver­bo­ten.

Hin­weis: Es han­delt sich nicht um die Abschalt­vor­rich­tung aus dem VW-​​Dieselskandal 2015, bei dem VW Betrugs­soft­wares in die Autos ein­ge­baut hatte, damit die Autos bei behörd­li­chen Tests weni­ger Abgase aus­sto­ßen als im nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Urteil des EuGHs

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat sehr ver­brau­cher­freund­lich ent­schie­den, indem es die Anfor­de­run­gen von vor­sätz­li­cher und sit­ten­wid­ri­ger Schä­di­gung (§826 BGB) auf fahr­läs­sige Schä­di­gung her­ab­setzt. Begrün­det haben sie es wie folgt: wenn der Kunde ein Auto kauft, erhält er vom Her­stel­ler ein Doku­ment, mit dem er bestä­tigt, dass das Auto allen Anfor­de­run­gen ent­spricht. Das Doku­ment schütze den Käu­fer davor, dass der Her­stel­ler seine Pflich­ten ein­hält, d.h. auch die Abgas­werte ein­hält. Mit den Ther­mo­fens­tern emit­tiert das Auto höhere Abgas­werte und es kommt zu einer Pflicht­ver­let­zung.

Moda­li­tä­ten des Scha­den­er­sat­zes natio­nal regeln

Zugleich wei­sen die Luxem­bur­ger Rich­ter dar­auf hin, dass sie die Frage des Land­ge­richt Ravens­burg zum Scha­dens­er­satz in Erman­ge­lung uni­ons­recht­li­cher Vor­schrif­ten nicht ent­schei­den kön­nen. Ob im kon­kre­ten Fall die Vor­aus­set­zun­gen für einen Scha­dens­er­satz vor­lie­gen und wie hoch ein even­tu­el­ler Anspruch aus­fällt, müs­sen die natio­na­len Gerichte fest­le­gen. Zugleich unter­streicht der Gerichts­hof, dass die natio­na­len Vor­schrif­ten nicht dazu füh­ren dür­fen, dass der Anspruch auf einen ange­mes­se­nen Scha­dens­er­satz über­mä­ßig erschwert oder prak­tisch unmög­lich gemacht wird.

Aus­blick und Aus­wir­kun­gen

Mit die­ser Ent­schei­dung ist der Abgas­skan­dal noch lange nicht abge­schlos­sen. Durch die Her­ab­set­zung der Anfor­de­run­gen auf Scha­den­er­satz bei ein­ge­bau­ten Abschalt­ein­rich­tun­gen ist mit einer neuen Kla­ge­welle zu rech­nen. Bereits jetzt lie­gen dem BGH über 1.900 Revi­sio­nen und Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­den vor. Wei­ter­hin sind viele Fra­gen offen. Es ist sehr umstrit­ten, wel­che Abgas­ein­rich­tun­gen zuläs­sig sind und wel­che nicht. Am 8.Mai 2023 wird der BGH tagen und dabei unter­su­chen, wie die unter­schied­li­chen Rechts­spre­chungs­li­nien zusam­men­ge­bracht wer­den kön­nen.

 

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