Geschwindigkeitsüberschreitung: Recht auf Einsicht in Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts

Hin­ter­grund

Vier von fünf Auto­fah­rern wur­den schon ein­mal geblitzt. Das anfal­lende Buß­geld kann dabei gut und gerne über 100€ betra­gen. Beson­ders ärger­lich ist es, wenn dabei noch ein Fahr­ver­bot droht. Nicht sel­ten kommt es des­halb vor, dass die Betrof­fe­nen dage­gen Ein­spruch ein­le­gen und ver­su­chen, mit allen Mit­teln dem Buß­geld und einem even­tu­el­len Fahr­ver­bot zu ent­ge­hen. So erging es auch einem Auto­fah­rer, der außer­halb geschlos­se­ner Ort­schaf­ten mit 44km/​h über der zuge­las­se­nen Höchst­ge­schwin­dig­keit geblitzt wurde. Als Folge ord­nete die zustän­dige Behörde ein ein­mo­na­ti­ges Fahr­ver­bot und 160€ Buß­geld an. Der Mann for­derte die Über­mitt­lung der Ermitt­lungs­akte, der Roh­mess­da­ten sowie der Lebens­akte und der Wartungs-​​/​ Reparatur-​​/​Eichnachweise des Mess­ge­räts. Die Behörde stellte dem Beschwer­de­füh­rer zwar die Ermitt­lungs­akte sowie einige der gewünsch­ten Roh­mess­da­ten zur Ver­fü­gung, eine Ein­sicht­nahme in die Lebens­akte und die Wartungs-​​/​ Reparatur-​​/​Eichnachweise des Mess­ge­räts ver­wehrte sie hin­ge­gen. Als Begrün­dung gab sie an, dass die Beweis­er­he­bung als zur Erfor­schung der Wahr­heit nicht erfor­der­lich anzu­se­hen sei.

 

Nicht­ein­sicht­nahme ist Ver­let­zung des Rechts auf ein fai­res Ver­hal­ten

Der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof Baden-​​Württemberg sah darin eine Ver­let­zung des Rechts auf ein fai­res Ver­fah­ren. Durch die Nicht­ein­sicht­nahme werde dem Betrof­fe­nen der Zugang zu den bei der Buß­geld­be­hörde vor­han­de­nen Infor­ma­tio­nen ent­zo­gen. Der Beschul­digte habe jedoch ein Recht auf eine umfas­sende Wür­di­gung der Beweis­mit­tel und Ermitt­lungs­vor­gän­gen. Ins­be­son­dere kann er die erho­be­nen Vor­würfe (über­höhte Geschwin­dig­keit) nicht auf ihre Rich­tig­keit über­prü­fen. Indem die Behörde ihm diese Ein­sichts­mög­lich­keit ver­wehrt, kann er nicht aus­rei­chend Ein­fluss auf den Gang und das Ergeb­nis des Ver­fah­rens neh­men. Dies wider­spre­che dem Prin­zip der Rechts­staat­lich­keit.

Die Sache wurde an das Amts­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Die­ses muss dem Beklag­ten nun die Ein­sicht­nahme in die Wartungs-​​/​ Reparatur-​​/​Eichnachweise des Mess­ge­räts gewäh­ren. Falls die Akten hierzu unvoll­stän­dig oder feh­ler­haft sind, kann der Beklagte damit rech­nen, dass der Vor­wurf fal­len gelas­sen wird. Dabei ist irre­le­vant, ob er tat­säch­lich 44km/​h zu schnell gefah­ren ist oder nicht.