Was Sie zu coronabedingten Schadenspositionen wissen sollten – Erste Urteile zum Ausfallschaden und zu Mietwagenkosten

Infolge der Corona-Krise kam es zu erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Freizeiteinrichtungen und die Gastronomie mussten schließen, es kam zu Kontaktbeschränkungen. Einige dieser Einschränkungen betrafen auch Autohäuser, Zulassungsstellen und Werkstätten, wodurch die Regulierung von Unfallschäden verzögert wurde.

Diese Verzögerungen wiederum führten zu höheren Kosten. In solchen Fällen stellt sich den Betroffenen die Frage, wer für diese coronabedingten Schadenspositionen aufkommen muss. Nicht selten besteht dabei zwischen dem Geschädigten und der Versicherung des Schädigers Uneinigkeit, sodass Gerichte entscheiden müssen.

Höherer Nutzungsausfallschaden durch geschlossene Autohäuser

Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Wolfsburg gehen die Verzögerungen, die infolge der Corona-Krise entstehen, zulasten des Schädigers. Das Gericht stuft die Pandemie zwar als höhere Gewalt ein. Es weist jedoch darauf hin, dass der Geschädigte keinerlei Einfluss auf die konkreten Umstände und diese daher nicht zu vertreten hatte.

Im konkreten Fall kam es zwischen dem Geschädigten und einem zweiten PKW zu einem Verkehrsunfall. Das Fahrzeug des Geschädigten wurde dabei total beschädigt, weshalb sich dieser einen Ersatzwagen beschaffen musste. Der Unfall ereignete sich jedoch zu der Zeit, in der die Autohäuser wegen der Corona-Krise aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen waren. Aufgrund dessen konnte der Geschädigte keine potenziellen Ersatzwagen besichtigen oder Probe fahren. Stattdessen nahm er zur Überbrückung für 34 Tage einen Mietwagen in Anspruch. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers stellte sich hingegen auf den Standpunkt, dass eine Inanspruchnahme des Mietwagens für 20 Tage ausreichend gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang stellte das Gericht klar, dass der Geschädigte in einem solchen Fall nicht gezwungen ist, das erstbeste Fahrzeug als Ersatz zu akzeptieren. Vielmehr hat er das Recht, einen passenden Wagen zu suchen und auszuwählen. Der dazu benötigte Zeitraum von etwas mehr als einem Monat sei zudem in Anbetracht der Corona-Krise angemessen. Auch muss sich der Geschädigte nicht auf einen Kauf eines Fahrzeugs von einem privaten Verkäufer verweisen lassen. Denn dabei wird in der Regel die Gewährleistung ausgeschlossen.

AG Wolfsburg, Urteil vom 12.10.2020, Az.: 23 C 48/20 

Hinweis: Höhere Gewalt

Die Versicherung des Schädigers hat sich im vorliegenden Fall darauf berufen, dass sich die Ersatzwagenbeschaffung aufgrund von höherer Gewalt verzögert hatte. Unter höherer Gewalt ist dabei ein außergewöhnliches Ereignis zu verstehen, dass von den Parteien weder vorhersehbar noch beherrschbar oder abwendbar war. Das ist bei der Corona-Pandemie der Fall.

Kommt es im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall zu Schäden, die durch höhere Gewalt verursacht wurden, muss der Schädiger diese nach § 7 Abs. 2 StVG (Straßenverkehrsgesetz) nicht ersetzen. Eben dies wandte die Versicherung des Schädigers im vorliegenden Fall ein. Das AG Wolfsburg wies jedoch darauf hin, dass der Schädiger zwar nicht für die Pandemie an sich verantwortlich sei, er habe es jedoch zu vertreten, dass der Unfall in den von der Corona-Krise betroffenen Zeitraum fällt. Die Ersatzpflicht der Versicherung entfällt demnach nicht.

Ersatzfahrzeuge müssen nicht online ausgesucht werden

In einem Fall, den das Amtsgericht Nürnberg zu entscheiden hatte, erlitt das Fahrzeug des Geschädigten einen Totalschaden. Bis die Versicherung des Schädigers dem Geschädigten eine für eine Ersatzwagenbeschaffung ausreichende Summe zukommen ließ, waren die Autohäuser aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Die Versicherung verwies den Geschädigten daher auf eine virtuelle Besichtigung potentieller Ersatzfahrzeuge. Der Geschädigte wartete hingegen ab, bis die Autohäuser wieder geöffnet hatten, weshalb die Versicherung die Zahlung des kompletten Nutzungsausfallschadens verweigerte.

Nach Ansicht des Gerichts ist ein Geschädigter jedoch nicht gezwungen, Fahrzeuge lediglich online anzusehen. Vielmehr darf er abwarten, bis eine Besichtigung im Autohaus wieder möglich ist. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass es in Anbetracht der Corona-Krise durchaus angemessen ist, wenn die Suche nach einem Ersatzfahrzeug länger dauert als vor der Pandemie. (Im konkreten Fall hält das Gericht zusätzliche 10 Tage für angebracht).

AG Nürnberg, Urteil vom 14.10.2020, Az.: 21 C 4507/20

Mietwagen während der Corona-Krise

Muss das Auto des Geschädigten nach einem Verkehrsunfall in einer Werkstatt repariert werden, hat dieser einen Anspruch auf einen Mietwagen. Die dadurch entstehenden Kosten übernimmt die Versicherung des Schädigers. Nun kommt es immer wieder zu Fällen, in denen die Versicherung die Zahlung der Mietwagenkosten ablehnt, weil der Geschädigte den Mietwagen nach Ansicht der Versicherung überhaupt nicht gebraucht hat. Das wenden Versicherer unter anderem dann ein, wenn der Geschädigte weniger als 20 km pro Tag gefahren ist. Denn dann ist der Betroffene nicht darauf angewiesen, permanent ein Auto zur Verfügung zu haben, sondern hätte auch beispielsweise ein Taxi nutzen können.

In diesem Zusammenhang hat sich das Amtsgericht Nürnberg mit einem Fall befasst, in dem der Geschädigte einen Mietwagen in Anspruch genommen hat, doch aufgrund der Corona-Krise unerwartet weniger als 20 km pro Tag gefahren ist. Zum Zeitpunkt der Anmietung des Fahrzeugs war nicht absehbar, dass die Pandemie derartige Einschränkungen nach sich ziehen würde. Ohne diese Einschränkungen wäre der Geschädigte deutlich mehr als 20 km pro Tag gefahren. Während des Lockdowns verringerte sich sein Fahrbedarf hingegen wesentlich.

Das AG Nürnberg stellte jedoch klar, dass es zur Beurteilung des Fahrbedarfs maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anmietung des Fahrzeugs ankommt (sogenannte „ex-ante“-Betrachtung). Demnach war die Versicherung zum Ersatz der Mietwagenkosten verpflichtet.

AG Nürnberg, Urteil vom 19.10.2020, Az.: 12 C 4467/20

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